Annapolis. Geoengineering kann die Klimaerwärmung stoppen – sie aber auch beschleunigen

Mit Methoden des Geoengineerings ließe sich die Klimaerwärmung nach Ansicht von Forschern stoppen. Aber der Einsatz von technischen Mitteln birgt Gefahren: Sollte der Eingriff abrupt gestoppt werden müssen, wären Klimaveränderungen die Folge, die zwei- bis viermal so schnell voranschreiten wie der derzeitige Klimawandel, haben Wissenschaftler um Christopher Trisos von der University of Maryland in Annapolis (USA) errechnet. Für viele Tiere und Pflanzen sei eine Anpassung kaum möglich. Die Studie ist im Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“ erschienen.

Zu den populärsten Methoden des Geoengineerings gehört das Ausbringen von Schwefeldioxid in der Stratosphäre. Der Effekt ist von Vulkanausbrüchen bekannt: Das Schwefeldioxid bildet Wolken, die das Sonnenlicht verstärkt reflektieren und so am Erdboden für eine Absenkung der Temperatur sorgen. Was aber passiert, wenn die Maßnahmen plötzlich gestoppt werden müssen? Etwa weil Regierungen wechseln? Diese Frage wollten die Forscher beantworten. Sie entwickelten ein Geoengineering-Szenario, bei dem von 2020 bis 2070 zunächst jährlich die gleiche Menge Schwefeldioxid in die Stratosphäre gebracht wird – bis der Einsatz dann plötzlich gestoppt wird.

Als Vergleich diente eine Klimawandelprognose mit mittleren Werten. In den Jahren nach dem Beginn des Geoengineerings würden demnach die Temperaturen an den meisten Orten auf der Welt sinken. Die Auswirkungen wären überschaubar im Vergleich zum abrupten Stopp des Geoengineerings: Dann würde die globale Durchschnittstemperatur innerhalb von zehn Jahren um 0,8 Grad Celsius steigen. Zum Vergleich: Im aktuellen Klimawandel hat sich dieser Temperaturanstieg in mehr als 100 Jahren vollzogen.

Die Forscher wollten vor allem wissen, wie sich solche Klimaveränderungen auf die biologische Vielfalt auswirken. Sie berechneten deshalb, wie sich die Klimazonen verschieben würden. An Land errechneten sie eine durchschnittliche Verschiebung von 10,4 Kilometern pro Jahr.

Nach Berechnungen des Weltklimarats (IPCC) wären nur pflanzenfressende Insekten und pflanzliches Plankton in der Lage, derart schnell auf für sie günstige Orte auszuweichen. Die Folgen wären Zusammenbrüche von Ökosystemen mit dem Risiko, dass zahlreiche Arten aussterben, schreibt Phil Williamson von der University of East Anglia in Norwich (Großbritannien) in einem Kommentar, ebenfalls in „Nature Ecology & Evolution“.