Berlin. Phänomen Pareidolie – warum Objekte manchmal menschliche Züge annehmen

Das Auto lächelt, die Hausfassade blickt grimmig, das Motorrad streckt die Zunge raus. Fast jeder dürfte das kennen: Plötzlich sieht man ein Gesicht, wo eigentlich keines ist. Das Phänomen ist ein beliebter fotografischer Gag: Auf Twitter folgen mehr als 600.000 Menschen der Seite „Faces in Things“ („Gesichter in Dingen“).

Der Effekt heißt Pareidolie. „Er ist phänomenologisch und experimentell ausgiebig untersucht worden“, sagt der Wahrnehmungspsychologe Rainer Mausfeld von der Universität Kiel. Forscher gewannen etwa 2014 den Ig-Nobelpreis, der für kuriose und gleichzeitig seriöse Forschung vergeben wird. Sie hatten untersucht, was bei Pareidolie im Gehirn passiert.

Für den Menschen und seine sozialen Interaktionen sei es extrem wichtig, Gesichter auch als solche zu erkennen, sagt Mausfeld. „Für sozial organisierte Lebewesen ist es das wichtigste Konzept zum Andocken an ‚meinesgleichen‘.“ Schon Säuglinge seien in der Lage, Gesichter wahrzunehmen.

Da Gesichter für das Zusammenleben so wichtig sind, entscheidet das Gehirn recht großzügig, ob ein bestimmter Anblick als Gesicht zu werten ist. Der Psychologe Mausfeld drückt es so aus: „Die Aktivierungsbedingungen für das uns biologisch vorgegebene Konzept ‚Gesicht‘ sind sehr breit angelegt und umfassen geometrische Konstellationen, die nur sehr grob mit einem wirklichen Gesicht Ähnlichkeit haben.“ Deshalb können Menschen selbst in Bäumen oder Steinen ein Gesicht erkennen. Teils nimmt das extreme Züge an. So wurde 2004 eine zehn Jahre alte Käsebrotscheibe für 28.000 US-Dollar versteigert, auf der das Antlitz der Jungfrau Maria zu erkennen sein soll.

Für noch mehr Aufregung sorgte das „Gesicht auf dem Mars“. Die Nasa-Sonde „Viking 1“ hatte 1976 Fotos von der Oberfläche des Planeten gemacht. Auf einem der Bilder war deutlich ein Gesicht zu erkennen – inklusive Augen, Nase und Mund. Verschwörungstheoretiker sahen das als Beweis für intelligentes Leben auf dem Mars. Das Interesse war so groß, dass die Nasa rund 25 Jahre später eine weitere Sonde auf das Gesicht ansetzte. Die wesentlich höher aufgelösten Fotos des „Mars Global Surveyor“ zeigten deutlich: Das Gesicht ist eine Felsformation, die aus einem anderen Winkel aufgenommen jeglicher menschlicher Züge entbehrt.