Washington/Bonn. Forscher haben den Grundstein für die genaue Vermessung der Milchstraße gelegt

Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat die bislang größte Entfernung zu einer kosmischen Sternfabrik in der Milchstraße gemessen. Das untersuchte Sternentstehungsgebiet liegt 66.000 Lichtjahre entfernt auf der anderen Seite der Galaxie, wie die Astronomen um Alberto Sanna vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie im US-Fachblatt „Science“ erläutern. Das ist die weiteste Distanz, die in der Milchstraße bislang bestimmt worden ist. Die Arbeit legt den Grundstein zu einer genauen Vermessung unserer Heimatgalaxie.

Das Team um Sanna nahm mit dem Radioteleskopnetzwerk „Very Long
Baseline Array“ (VLBA) ein fernes Sternentstehungsgebiet ins Visier. In diesen Regionen, die zahlreich über die Galaxie verteilt sind, sorgen Wasser- und Methanmoleküle für eine laserähnliche Verstärkung von Strahlung im Radiobereich des elektromagnetischen Spek­trums. Für die Entfernungsbestimmung bedienten sich die Forscher der trigonometrischen Parallaxe – einer Methode, die der deutsche Astronom Friedrich Wilhelm Bessel 1838 erstmals angewendet hatte. Diese nutzt die scheinbare Verschiebung eines Himmelsobjekts, wenn man es von verschiedenen Positionen auf der Erdumlaufbahn beobachtet, also etwa einmal im Sommer und einmal im Winter. Aus der Größe der Parallaxe lässt sich die Entfernung des Objekts berechnen.

Die Parallaxe der von den Astronomen beobachteten Sternenfabrik war ungefähr so groß, wie ein Fußball auf der Mondoberfläche erscheinen würde, wie das Bonner Institut in einer Mitteilung erläutert. Sie berechneten daraus eine Entfernung von 66.000 Lichtjahren. Das ist deutlich jenseits des rund 27.000 Lichtjahre entfernten Zentrums unserer Galaxie und fast doppelt so weit wie die bislang größte gemessene Distanz in der Milchstraße – 36.000 Lichtjahre. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Unsere Galaxie hat einen Durchmesser von etwa 100.000 Lichtjahren.

„Die meisten Sterne und das meiste Gas in unserer Milchstraße liegen innerhalb der mit der neuen Messung erzielten Reichweite“, sagt Sanna laut Mitteilung. „Mit VLBA haben wir das Potenzial, eine genügende Zahl von Entfernungen abzuleiten, um Form und Verlauf der Spiralarme in unserer Galaxis zu bestimmen.“ Ziel ist es, zu zeigen, wie die Milchstraße von oben aussieht. Co-Autor Mark Reid vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge hofft, bis 2027 ein ziemlich komplettes Bild zu erhalten.