Braunschweig. Vor 50 Jahren fanden Politiker und Wissenschaftler eine Antwort darauf

Der Sprint-Weltrekord über 100 Meter liegt bei 9,58 Sekunden. Ein Formel-1-Rennwagen braucht von 0 auf 100 unter vier Sekunden. Ein Wimpernschlag dauert in etwa nur eine Zehntelsekunde. Doch wie lange dauert eine Sekunde eigentlich? Was trivial klingt, beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrhunderten. Die aktuell gültige Definition einer Sekunde – man spricht von Atomsekunde – jährt sich diese Woche zum 50. Mal.

Die Atomsekunde ist im Vergleich zu den sechs anderen sogenannten Basiseinheiten (Meter, Kilogramm, Ampere, Kelvin, Mol (Stoffmenge) und Candela (Lichtstärke)) am genauesten definiert: auf 16 Stellen hinter dem Komma. Bis in die 1950er galt, was der Mathematiker Carl Friedrich Gauß etwa 120 Jahre zuvor vorgeschlagen hatte: Die Sekunde sei der 86.400. Teil eines mittleren Tages, also der Drehung der Erde um sich selbst. Was danach folgte, bezeichnen Experten von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig als eine „revolutionäre Entwicklung“.

Die Atomsekunde gibt es seit 1955, als die erste Cäsium-Atomuhr zu arbeiten begann. „In ihrem Inneren ermöglichen die Schwingungen von Cäsium-Atomen – 9.192.631.770 Mal in der Sekunde – die genaue Zeitmessung: für Laien unvorstellbar genau“, erklärt Andreas Bauch, Leiter der Arbeitsgruppe Zeitübertragung bei der PTB. Auf der 13. Generalkonferenz für Maß und Gewicht wurde dann am 13. Oktober 1967 von Wissenschaftlern und Politikern beschlossen: Eine Sekunde dauert genauso lang wie 9.192.631.770 Schwingungen eines Atoms des Nuklids 133-Cäsium. Bis heute gilt diese Definition.

„Die Menschen lasen die Zeit fortan nicht mehr vom Himmel ab, sondern stellten sie mit Atomuhren her. Seitdem haftet der Sekunde nichts Göttliches mehr an. Sie ist nur noch ein von Menschen gemachtes Produkt“, sagt Johannes Graf vom Deutschen Uhrenmuseum.

Wegen der ungleichmäßigen Erdumdrehung passen Atomzeit und mittlerer Tag – wie Gauß vorschlug – nicht perfekt zusammen: Schon bis 1972 war eine Differenz von zehn Sekunden aufgelaufen und man erfand die „koordinierte Weltzeit“, die mit Schaltsekunden an die astronomische Zeit angepasst wird. Mit solchen Schaltsekunden wird kompensiert, dass die Erde für eine Umdrehung ein kleines bisschen länger braucht als 24 Stunden Atomuhrzeit.