Rom/Köln. Wasserleitungen aus Blei könnten früher entwickelt worden sein, als angenommen

Anhand der Sedimente im antiken Hafen von Rom haben Forscher die Geschichte der Stadt vor etwa 2000 Jahren rekonstruiert. Bleiablagerungen im damaligen Hafenbecken von Ostia zeigen, dass das System von Wasserleitungen aus Blei, für das es eindeutige archäologische Belege erst kurz vor Christi Geburt gibt, schon im 2. vorchristlichen Jahrhundert entstanden sein könnte.

Die im Lauf der Zeit wechselnden Konzentrationen des Schwermetalls spiegeln demnach die Blütezeiten der Stadt ebenso wider wie die politischen Wirren. Das berichtet das Team um Hugo Delile vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Lyon in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften. In Ostia an der Tibermündung wurde den Autoren zufolge im 4. oder frühen 3. vorchristlichen Jahrhundert das erste stadtnahe Hafenbecken Roms angelegt. Dort trieb das Team einen Bohrer zwölf Meter tief in die Sedimente, der Bohrkern entspricht etwa den Ablagerungen aus einem Jahrtausend. Die Forscher analysierten ihn auf verschiedene Isotope von Blei (Pb). Diese geben Aufschluss darüber, ob das Metall natürlichen Ursprungs ist oder importiert und verarbeitet wurde – insbesondere zu Wasserleitungen. Daraus wurden dann Partikel abgetragen und gelangten durch das Abwassersystem in den Tiber.

Die untere Hälfte des Bohrkerns, die die Zeit bis vor dem 2. Jahrhundert vor Christus abdeckt, enthielt demnach nur natürliches Blei aus der Region, in vergleichsweise geringer Konzentration. Daraus schließt das Team, dass zur Zeit der ersten Aquädukte das Wasser noch durch Leitungen aus Mauerwerk, Ton oder Holz geführt wurde. Bleirohre, sogenannte Fistulae, waren damals noch nicht üblich. „Dieses minimalistische System war weit entfernt von dem des Römischen Imperiums, das Hunderte Bäder und private Wohnhäuser durch ein komplexes Netzwerk von Fistulae versorgte“, schreiben die Autoren. Erst im 2. Jahrhundert vor Christus steigt die Konzentration von verarbeitetem Blei im Bohrkern. Das deute auf ein sich entweder ausdehnendes oder verdichtendes Netz von Bleirohren hin und zeige die zunehmende Urbanisierung, schreibt das Team. Dazu passe die Inbetriebnahme weiterer Aquädukte wie der Aqua Marcia und Aqua Tepula zwischen den Jahren 144 und 125 v. Chr.