Cambridge. Forscher nehmen wichtige Hürde: Erbgut von Schweinen verändert und gefährliche Viren deaktiviert

Eine Hürde auf dem Weg zur Transplantation von Tierorganen auf den Menschen ist offenbar überwunden. Eine internationale Forschergruppe hat mit gentechnischen Methoden Schweine erzeugt, die frei von aktiven sogenannten endogenen Retroviren sind, wie die Wissenschaftler im Magazin „Science“ schreiben. Die speziellen Viren (PERVs) sind ins Erbgut der Schweine integriert und waren bislang sehr schwer loszuwerden. Ein deutscher Experte spricht von einer positiven Entwicklung.

Bei der Übertragung eines Schweineherzens bestehe die Gefahr, dass sich diese Viren im menschlichen Genom einnisten und Immundefekte sowie Tumorbildung verursachen, schreibt das Team um Dong Niu vom privaten US-Unternehmen eGenesis in Cambridge. Die Forscher konnten die Viren nun deaktivieren. Zudem bestätigten sie Daten anderer Forscher, nach denen die Viren im Labor von Schweinezellen auf menschliche Zellen übergehen können. Ob PERVs bei einer Organtransplantation tatsächlich vom Schwein auf den Menschen übergehen würden, ist allerdings noch nicht gänzlich geklärt.

Fachleute sprechen bei Übertragungen von Tierorganen auf den Menschen von Xenotransplantationen. Im medizinischen Alltag sind sie bislang noch Zukunftsmusik. Die Einschätzungen, ob sie das Mittel der Wahl sind, um den Mangel an Spenderorganen eines Tages auszugleichen, gehen auseinander. Einige Experten setzen eher auf künstliche Herzen und andere Unterstützungssysteme.

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr mehr als 3700 Organe übertragen – der überwiegende Teil davon postmortal. Die Zahl der Spender geht zurück. Gleichzeitig warten mehr als 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Viele sterben, bevor sie ein rettendes Organ erhalten.

Krankheitserreger könnten vom Tier übertragen werden

An Xenotransplantationen wird schon seit einiger Zeit geforscht. So gebe es Studien, bei denen Schweineherzen oder -nieren auf Primaten wie Paviane übertragen wurden, erklärt Joachim Denner. Er leitet eine Arbeitsgruppe am Robert Koch-Institut, die sich mit der Übertragung von Viren bei Xenotransplantationen beschäftigt.

Es gebe zudem vielversprechende Studien, bei denen Diabetikern Inselzellen von Schweinen übertragen wurden, sagt Denner. Diese Zellen spielen eine wesentliche Rolle beim Zuckerstoffwechsel. Ein Problem bei Xenotransplantationen ist, dass gefährliche Krankheitserreger vom Tier auf den Menschen übertragen werden können. Bei den meisten Viren könnte man das mit medizinischen Mitteln in den Griff bekommen, sagt Denner. Bei den PERVs, die sich im Genom selbst verstecken, sei das wesentlich schwieriger.

Die Forscher um Niu nutzten bei ihrem Ansatz die Genschere Crispr-Cas9, die in der Gentechnik gerade sehr beliebt ist. Sie waren dadurch in der Lage, die PERVs im Genom von Schweinezellen zu inaktivieren. Mithilfe der Zellen mit modifiziertem Erbgut erzeugten sie Embryonen, die frei von aktiven PERVs waren.

17 Muttersauen wurden jeweils 200 bis 300 solcher Embryos übertragen. So konnten die Forscher 37 Ferkel erzeugen, bei denen die PERVs inaktiviert waren. Die ältesten daraus entstandenen Tiere waren demnach vier Monate alt. Ob bestimmte Gene der PERVs bei Schweinen möglicherweise auch positive Aufgaben haben, ist unklar.

Denner, der nicht an der Studie beteiligt war, aber bereits früher versucht hatte, PERVs mit einer anderen Genschere zu inaktivieren, blickt optimistisch auf die Ergebnisse. „Das ist wirklich eine sehr gute Entwicklung.“ Einen echten Schritt weiter wäre man allerdings erst, wenn auch die anderen Probleme von Xenotransplantationen gelöst wären.

Schweineherzen haben eine schwächere rechte Kammer

Das gravierendste sind die Abstoßungsreaktionen, die Tierorgane beim Menschen auslösen, wie Jan Gummert, Herztransplantationschirurg am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, erklärt. Um diese Reaktionen zu unterdrücken, müssten Patienten wesentlich mehr Medikamente mit erheblichen Nebenwirkungen nehmen, als wenn sie ein menschliches Organ bekämen. Zudem besteht etwa bei Schweineherzen das Problem, dass deren rechte Kammer etwas schwächer pumpt als beim Menschen.

Gummert ist bei der Einschätzung der neuen Studie noch sehr vorsichtig: „Das ist eine interessante Geschichte.“ Es müsse sich aber zeigen, ob die Ergebnisse auch reproduzierbar seien und die Ferkel auch längere Zeit überlebten. Zudem sei damit erst ein Pro­blem gelöst. Nötig seien aber Schweine, deren Organe nicht nur frei von PERVs sind, sondern die zudem nur geringe Abstoßungsreaktionen beim Menschen hervorrufen, damit man mit einer verträglichen Medikamentengabe auskommt. (dpa)