Lancaster. Das in der Industrie eingesetzte Dichlormethan gelangt in die Stratosphäre

Eine zunehmend eingesetzte chlorhaltige Verbindung bedroht die Erholung der Ozonschicht. Die Konzentration von Dichlormethan in der Atmosphäre steige seit einigen Jahren schnell an, berichten britische Forscher im Fachblatt „Nature Communications“.

„Wir zeigen, dass der gegenwärtig noch mäßige Einfluss von Dichlormethan auf Ozon in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat“, schreibt das Team um Ryan Hossaini von der Universität Lancaster. „Eine weitere künftige Steigerung könnte die Erholung der Ozonschicht zu Werten wie vor 1980 substanziell verzögern.“

Die Ozonschicht schützt die Erde vor der krebserregenden UV-Strahlung der Sonne. 1985 berichteten britische Forscher erstmals über das Ozonloch. Es entstand jedes Frühjahr über der Antarktis durch chemische Reaktionen von Ozon (O3) mit Brom und Chlor aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Der Bericht löste eine beispiellose politische Reaktion aus. 1987 einigten sich fast 200 Staaten auf das Montreal-Protokoll. Es schränkte den Ausstoß von FCKW ab 1989 ein und verbot ihn ab 1996 komplett. Seitdem erholt sich die Ozonschicht allmählich. Bisherigen Prognosen zufolge könnte sie bis Mitte des Jahrhunderts wieder das Niveau vor 1980 erreichen.

Dichlormethan (CH2Cl2), ein in der Industrie gängiges Lösungsmittel, das etwa in der Produktion von Arzneien eingesetzt wird, ist nicht im Montreal-Protokoll enthalten und galt bislang als unbedenklich, weil es nur eine kurze Halbwertzeit hat. Doch die Sub­stanz gelangt in die Stratosphäre, also die Zone oberhalb von 15.000 Metern, wo freigesetztes Chlor erhebliche Mengen Ozon zerstören kann.

Den Forschern zufolge haben sich die weltweiten Dichlormethankonzentrationen von 2004 bis 2014 verdoppelt. Sie schätzen die Emissionen des Stoffs auf eine Megatonne pro Jahr.

„Die Studie ist sehr seriös“, sagt Wolfgang Steinbrecht vom Deutschen Wetterdienst. Das wissenschaftliche Gremium zur Einschätzung der Ozonschicht – dem auch Steinbrecht angehört – müsse nun auf das Problem reagieren. „In der Tat wäre es nun an der Zeit, die Auswirkungen solcher Sub­stanzen genauer zu untersuchen und gegebenenfalls die Produktion durch neue Vereinbarungen beziehungsweise Protokolle zu begrenzen“, erklärt Johannes Orphal, Leiter des Institutes für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung am Karlsruher Institut für Technologie.