Bochum . Bochumer Forscher entwickeln einen neuen Ansatz, um Sehbehinderten die Orientierung zu erleichtern

Simon Janatzek (41) ist blind. Die Sonne scheint, so viel sagen ihm seine 0,018 Prozent Restsehfähigkeit. Sein Blinden-Navi fürs Handy leitet ihn bis vors Ingenieursgebäude D an der Ruhr-Uni Bochum. Aber wie es drinnen mit den vielen Tausend Türen weitergeht, das weiß er nicht. Hier wird an einem Gerät geforscht, dass ihm bei der Orientierung in Gebäuden weiterhelfen könnte. Drei Bochumer Forschungsinstitute und einige Industriepartner entwickeln einen Blindenradar.

Viele haben schon an technischen Hilfsmitteln für Blinde getüftelt. Diese vermessen die Umgebung – etwa per Ultraschall oder per Kamera – und melden dem Träger per Vibration oder Tonsignal, wo Hindernisse und Wege sind. Das Karlsruher Institut für Technologie entwickelt zum Beispiel eine Art Warnkappe: Sechs Ultraschallsensoren um den Kopf melden nahe Hindernisse durch Druck.

In der Praxis sieht man solche Geräte kaum, sagt Janatzek. Er achtet auf so etwas, denn er verkauft beruflich Blindenhilfsmittel. „Ich höre immer: Bei großen Hindernissen funktioniert das. Aber kleinere Höhenhindernisse wie ein stehendes Fahrzeug mit einem ausladenden Spiegel oder eine heruntergelassene Bühne, das geht meistens relativ schlecht.“

Bei der Entwicklung des Blindenradars arbeiten die Forscher mit der für die Schiff- und Luftfahrt entwickelte RA.D.A.R.-Technik (RAdio Detection And Ranging). Sie sendet Radiowellen aus und stellt Objekte, die diese zurückwerfen, auf einer Umgebungskarte dar. „Wir haben die Idee, dass wir mit dieser Sensorik und ihrer Hörbarmachung Menschen direkt helfen können“, sagt Radartechniker Nils Pohl. Der Bochumer Blindenradar soll anders als optische oder Sonargeräte auch an lauten oder dunklen Orten funktionieren. Er soll dem Träger über ein Hörgerät mit einem Ping-Geräusch anzeigen, wo ein Weg ist und wo ein Hindernis. Der Raum soll praktisch hörbar werden.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Unter anderem müssen die Entwickler Skeptiker wie Gerhard Renzel vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) überzeugen. Der zeigt zur Bochumer Akustiknavi-Idee „äußerste Zurückhaltung“. Man habe schon oft mit ambitionierten Ideen zu tun gehabt. Zu oft schon hätten sie am Ende den hohen Hürden für ein hilfreiches Blindenhilfsmittel nicht genügt.

Ob den Bochumer Entwicklern das gelingt, wird sich in gut zwei Jahren zeigen. So lange fließen noch die 1,8 Millionen Euro Förderung von EU und dem Land Nordrhein-Westfalen. Dann wollen die Forscher einen ersten Prototypen haben, der das Prinzip demonstriert.