Hamburg. Bäume wandern – und dahinter steckt das Klima. Forscher zeigen anhand von Modellrechnungen, wie sensibel Vegetation reagiert

Ähnlich wie im Kino-Film „Herr der Ringe“ machen sich Bäume bisweilen tatsächlich auf den Weg in weit entfernte Gegenden. Tropischer Regenwald, immergrüne Nadelwälder oder baumlose Steppe: Die Vegetationszonen auf unserem Planeten befinden sich in stetigem Wandel. Zum Ende der letzten Kaltzeit, vor gut 11.000 Jahren, war die Sahara deutlich grüner als heute und Norddeutschland eine Tundra, eine offene Landschaft aus Moosen, Gräsern und Zwergsträuchern. Wenn Pflanzen wandern, hat dies fast immer etwas mit dem Klima zu tun. Es ist entweder zu heiß oder zu kalt, zu trocken oder zu nass. Die Pflanzen können dann an ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet nicht mehr leben und „bewegen“ sich, zugegeben recht langsam – über mehrere Jahrhunderte, in angrenzende Gebiete. So dokumentieren die Pflanzen die Geschichte des Klimas.

Mit einem internationalen Forscherteam habe ich am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Uni Hamburg und am Max-Planck-Institut für Meteorologie untersucht, wie sich vergangene Klimaänderungen auf die Vegetation in Asien auswirkten. Vom mittleren Holozän vor rund 6000 Jahren bis zur Industrialisierung war das Klima ungewöhnlich stabil. Weil sich die Laufbahn der Erde um die Sonne änderte, was in regelmäßigen Zyklen geschieht, kühlte sich die Erde in vielen Regionen in diesem Zeitraum lediglich leicht ab.

Um die Veränderung der Vegetation zu untersuchen, haben wir fünf unterschiedliche Klimamodelle genutzt. In diese haben wir die veränderte Einstrahlung der Sonne auf die Erde und einen leichten Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen eingegeben. Ein Klimamodell beschreibt Vorgänge auf der Erde wie Wolkenbildung, Meeresströmungen, Verdunstung, Eisschmelze oder Stürme mit den Gesetzen der Physik und kann so vorhersagen, wie sich das Klima entwickelt.

Mit den Ergebnissen haben wir ein Vegetationsmodell gefüttert. Das Modell berechnet, wie sich Pflanzen auf der Erde ausbreiten. Niederschlag und Temperatur beeinflussen das Pflanzenwachstum maßgeblich, aber es kommen noch etliche andere Prozesse hinzu: Ein höherer Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre regt das Wachstum der Pflanzen an, Wirbelstürme und Feuer verwüsten Wälder, ganze Pflanzengesellschaften wandern und verdrängen die alteingesessenen Arten. Dabei kann es zu Rückkopplungen mit dem Klima kommen. Ein Beispiel: Wird es in den nördlichen Breiten kälter, schiebt die baumlose Tundra die großen Nadelwälder – die Taiga – nach Süden. Weil der Schnee durch die Äste nach unten rieselt, bleiben die Nadelwälder auch in schneereichen Monaten dunkel. So nehmen sie mehr Sonnenlicht auf und erwärmen sich. Die baumlose Tundra ist hingegen viele Monate vollständig von Schnee bedeckt und strahlt die Wärme der Sonne zurück ins All, die Temperaturen sinken weiter.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Tundra in Asien bis zu 500 Kilometern im Untersuchungszeitraum nach Süden verlagert hat, weil sich das Klima in den hohen nördlichen Breiten abkühlte. In der Übergangszone von Wald, Steppe und Wüste im nördlichen China und der Mongolei ist das Klima trockener geworden und die Wüste Gobi hat sich in den letzten 6000 Jahren nach Osten ausgedehnt, Steppe und Wald wurden verdrängt.

Sprunghafte Änderungen der Vegetation konnten wir in Asien nicht feststellen. Die Wanderung der Pflanzen erfolgte gleichlaufend mit den Klimaänderungen, die durch die veränderte Laufbahn der Erde um die Sonne entstanden. Die Ergebnisse machen deutlich, wie empfindlich die Vegetation selbst auf geringfügige Klimaschwankungen reagiert.