Baltimore/New York. Im Labor geschaffenes Genom gilt als Meilenstein auf dem Weg zur künstlichen Menschen-DNA

Das Großprojekt, erstmals das gesamte Erbgut eines komplexen Organismus künstlich herzustellen, geht in die Zielgerade: Drei Jahre nachdem ein internationales Forscherteam das erste Chromosom der Backhefe nachgebaut hat, sind nun fünf weitere der insgesamt 16 Chromosomen im Labor entstanden, so die Autoren im Magazin „Science“. Nun wollen sie sich die übrigen zehn Chromosomen vornehmen und das Erbgut eines Organismus mit Zellkern künstlich schaffen. Die synthetische Hefe soll nicht nur als Modellorganismus dabei helfen, biologische Prozesse gezielter zu untersuchen, sondern auch um effizienter Substanzen wie Kraftstoffe oder Arzneien zu produzieren. Auch das Ziel, Menschen-DNA zu synthetisieren, rückt in greifbare Nähe.

Die synthetische Biologie, die in der Natur nicht vorkommende Organismen erzeugt, bewegt sich rasant. Schon vor einigen Jahren hatten US-Forscher das Erbgut zweier Bakterienarten synthetisiert. Mit einer Größe von 580.000 und 1,1 Millionen Basenpaaren wirken sie neben den 12 Millionen Basenpaaren der Backhefe aber eher simpel. Das Genom der Hefe entschlüsselten Forscher 1996. 2014 stellte das Synthetic Yeast Genome Project (Sc2.0) unter Leitung von Boeke und Joel Bader von der Johns Hopkins University in Baltimore das erste künstlich geschaffene Hefe-Chromosom vor. Letztlich wollen die Forscher das gesamte Erbgut in Hefezellen durch das künstliche Genom ersetzen.

Mit dem synthetischen Modellorganismus wolle man künftig Organismen mit Zellkern systematisch erforschen, so die Wissenschaftler. Grundlegende Prozesse seien auch auf den Menschen übertragbar. Letztlich ist es kein Zufall, dass mehrere Mitarbeiter des Sc2.0-Projektes wie etwa Boeke und Mitchell auch am angekündigten Human Genom Project-write (HGP-write) beteiligt sind. Dessen Ziel: die DNA des Menschen – rund 3,3 Milliarden Basenpaare – künstlich herzustellen. Die möglichen Anwendungen umfassen die Produktion menschlicher Organe, therapeutische Zelllinien gegen Krebs oder eine schnellere Entwicklung von Impfstoffen, schrieb die Forschergruppe schon 2016. Vom Einzeller Hefe zum Menschen sei es ein weiter Weg, aber sollte er gelingen, wäre dies ein Meilenstein in der synthetischen Biologie.