Berlin. Eine neue Studie legt Gesundheitsgefahr durch Wirkstoffe wie Ibuprofen und Diclofenac bei Atemwegsinfekten nahe

Die Glieder sind bleischwer, die Stirn brennt – Grippe- und Erkältungsgeplagte greifen häufig zu Schmerzmitteln, um sich Erleichterung zu verschaffen. Darauf, welcher Wirkstoff dabei zum Einsatz kommt, achten dann nur wenige, denn die meisten Mittel sind rezeptfrei. Eine neue Studie der Nationaluniversität Taiwan zeigt jedoch, wie wichtig diese Entscheidung ist. So steige bei Patienten mit Atemwegsinfekten, die Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac einnehmen, das Herzinfarktrisiko um 340 Prozent. Ihre Untersuchung, in die Daten von rund 10.000 Patienten eingingen, veröffentlichten die Forscher im „Journal of Infectious Diseases“ des Oxford Acadmic Verlags.

Dass sogenannte nicht-steroidale anti-entzündliche Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Diclofenac das Herzinfarktrisiko generell erhöhen können, ist schon länger bekannt. Die Mittel hemmen das Enzym Cyclooxygenase (Cox), das die Herstellung einer Gruppe von Gewebshormonen, den sogenannten Prostaglandinen, regelt. Diese sind unter anderem an der Entstehung von Fieber und Entzündungen beteiligt. Das Problem: Prostaglandine haben nicht nur negative Effekte. Sie regulieren unter anderem die Durchblutung bestimmter Körperregionen.

Bei der Einnahme von Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Diclofenac erhöht sich so das Risiko, dass sich in den Gefäßen Blutgerinnsel bilden und den Durchfluss beeinträchtigen, mit Schlaganfall oder Herzinfarkt als Folge. Unabhängig von der Medikamenteneinnahme erhöhen auch Atemwegserkrankungen das Risiko für Herzinfarkte in den ersten drei Tagen um das Vierfache, wie eine im „European Heart Journal“ veröffentlichte Studie britischer Wissenschaftler schon 2007 zeigte. „Die beiden Effekte addieren sich, wie die Studie zeigt“, erklärt der Fachapotheker Prof. Martin Smollich, der auch Mitglied in der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ist. „In der Kombination erhöht sich das Herzinfarktrisiko offenbar schon für den Durchschnittspatienten drastisch.“ Wer ohnehin Probleme mit dem Herz habe, sei also einer noch höheren Gefahr ausgesetzt. Die Wissenschaftler in Taiwan analysierten für ihre Studie die Registerdaten von Krankenkassen aus den Jahren 2007 bis 2011 und prüften dabei auch, welche Medikamente Patienten eingenommen hatten, bevor sie mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wurden. „Die Untersuchung ist statistisch sehr gut gemacht“, so Smollich. Zwar handele es sich um eine Beobachtungsstudie, die keine kausalen Belege liefern könne, „aber der Zusammenhang liegt nah“. Für beide Risiken gebe es zahlreiche klinische Studien, die den Effekt unabhängig voneinander belegen.

„Am größten ist das Risiko bei Diclofenac und hoch dosiertem Ibuprofen“, sagt Smollich, „beides sollte man bei Grippe und Atemwegsinfekten auf keinen Fall einnehmen.“ Das gilt auch für Kombipräparate, die einen der Wirkstoffe enthalten. „Etwa typische Erkältungsmittel wie etwa BoxaGrippal, Ibuhexal oder Dolormin“, so Smollich. „In Bezug auf das Herzinfarktrisiko sind etwa Naproxen oder Paracetamol eine bessere Alternative, um Schmerzen bei Atemwegsinfekten zu lindern.“