Berlin. Forscher bezeichnen die Lage im Nordpolarmeer als dramatisch

Verheerend sieht es in 2500 Metern Tiefe vor Grönland aus: Plastiktüten, Glasscherben und Fischernetze sammeln sich dort auf dem Meeresgrund. Die Lage in der arktischen Tiefsee sei dramatisch, berichten die Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in der Fachzeitschrift „Deep Sea Research“. Ihren Beobachtungen zufolge nimmt die Müllmenge am Nordpol immer weiter zu – trotz der Lage fernab von Ballungszentren.

Die Wissenschaftler dokumentieren die Verschmutzung am Nordpol, zwischen Grönland und Spitzbergen, seit 2002. „Unsere Messreihe belegt, dass der Müll in der arktischen Tiefsee in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat“, sagt AWI-Biologin Mine Tekman. Dies stelle eine dauerhafte Gefahr für das sensible Ökosystem dar.

Mithilfe einer ferngesteuerten Unterwasserkamera untersuchten die Wissenschaftler zwei Messpunkte und schossen mehr als 7000 Fotos, vor allem von Plastik und Glas. In der aktuellen Untersuchung rechneten sie die Mülldichte auf eine größere Fläche hoch. Im Jahr 2011 kamen sie so auf 4959 Müllstücke pro Quadratkilometer – und hielten dies für einen Negativausreißer. 2014 errechneten sich jedoch einen neuen Höchstwert mit 6333 Abfallteilen im Durchschnitt.

Die Hochrechnung an dem nördlicheren der Kontrollpunkte ergab eine noch größeres Steigerung von 346 Müllteilen 2004 auf 8082 in 2014 – 23-mal so viel. Damit sei die Belastung nahezu identisch mit der höchsten jemals gemessenen Mülldichte im östlich der Iberischen Halbinsel gelegenen Cap de Creus Cany, berichten die Biologen.

Wie der Müll an den Nordpol gelangt und sich auf dem Weg verändert, gibt den Forschern noch Rätsel auf. Beim Glas habe sich gezeigt, dass die Menge mit der Intensität der Schifffahrt in der Region zunimmt. Unbestritten sei, dass der Golfstrom Müll aus dem südlichen Atlantik mit sich bringt. Denkbar ist laut der Experten auch, dass treibendes Meereis den Abfall transportiert. Wegen des fehlenden UV-Lichts und den niedrigen Temperaturen dürfte der Müll in der Tiefsee kaum zerfallen. So haben die Forscher im Sommer 2016 einen bereits zwei Jahre zuvor gesichteten Plastikfetzen wiederentdeckt – ohne, dass dieser sich erkennbar verändert habe. „Diese zweimalige Begegnung zeigt eindrücklich, dass die arktische Tiefsee ein Endlager für Plastikmüll zu werden droht“, schreiben sie.