Berlin . Das hoch ansteckende Adenovirus grassiert derzeit in Deutschland. Ärzte raten zur Vorsicht

Das Auge rötet sich plötzlich, die Bindehaut schwillt an, es brennt und juckt, als säße ein kleiner Fremdkörper im Auge, der sich einfach nicht lösen will. Die Symptome der sogenannten Augengrippe sind unangenehm. Ärzte nennen die hoch ansteckende Erkrankung Keratokonjunktivitis epidemica. Ausgelöst wird sie von Adenoviren, die unter anderem auch an Blasenentzündungen beteiligt sein können. Die Augengrippe grassiert derzeit in Nordrhein-Westfalen, allein in Bonn wurden in den vergangenen zwei Wochen über 100 Krankheitsfälle registriert. Wegen ihrer hohen Ansteckungsrate ist die Krankheit meldepflichtig.

Große Ausbrüche mit über 2000 gemeldeten Fällen gab es nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zuletzt im Jahr 2012. Viele Fälle werden nach Einschätzung der Experten jedoch gar nicht erst bekannt, weil Patienten die Erkrankung für eine gewöhnliche Bindehautentzündung halten. Tatsächlich komme es nach ein bis zwei Wochen auch „fast immer zur vollständigen Ausheilung“, erklärt das RKI, doch in seltenen Fällen könne es zu einer dauerhaften Minderung der Sehschärfe kommen. „Auch eine über Wochen oder Monate anhaltende Trübung der Hornhaut ist möglich“, sagt Dr. Christian Ohrloff, Sprecher der Gesellschaft für Augenheilkunde (DOG).

Betroffene sollten Krankenhäuser meiden

Meist beginne die Infektion an einem Auge mit heftigen Beschwerden, erklärt der Experte: „Das Auge schmerzt und tränt, insgesamt kann sich der Patient unwohl fühlen, Fieber und geschwollene Lymphknoten können dazukommen.“ Das zweite Auge erkranke meist kurz danach, mit etwas weniger starken Beschwerden. Wer die Symptome bemerke, sollte in jedem Fall zum Augenarzt gehen. „Er muss feststellen, ob die Hornhaut betroffen ist, und kann entscheiden, ob eine Behandlung mit Kortison-Tropfen sinnvoll ist“, sagt Ohrloff. In vielen Fällen sei aber auch das keine Hilfe, sagt Dr. Georg Eckert, Sprecher des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands (BVA). Antibiotika kämen ohnehin nicht infrage, da sie bei einer Viruserkrankung wie der Augengrippe nicht helfen. „Patienten können sich zur Linderung ‚künstliche Tränen‘ – Augentropfen zur Befeuchtung – oder Augensalbe in der Apotheke besorgen“, rät Eckert. „Das kann das Fremdkörpergefühl im Auge mildern“, ergänzt Christian Ohrloff.

In ein Krankenhaus oder eine Klinik sollten Patienten mit Augengrippe sich nach Möglichkeit nicht begeben, so Eckert: „Die schwer kranken Patienten dort können mit dem hoch ansteckenden Virus mitunter nicht so gut umgehen wie ansonsten Gesunde.“ Darüber hinaus sei Hygiene die wichtigste Maßnahme. Häufig gehe die Infektion von verunreinigten Instrumenten zum Beispiel in Augenkliniken aus, so das RKI. Patienten können aber auch schnell selbst zum Überträger werden. Das RKI empfiehlt häufiges Händewaschen und rät, besonders in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten oder Altenheimen keine gemeinsamen Handtücher zu verwenden. Vorsicht ist aber auch im eigenen Haushalt geboten, Augentropfen oder Kosmetik wie Wimperntusche oder Kajalstift sollten nicht von mehreren Personen benutzt werden, Kontaktlinsenträger sollten besonders auf Hygiene achten. „Es kann auch schon helfen, aufs Händeschütteln zu verzichten“, sagt Eckert. Die Augengrippe überträgt sich per Schmierinfektion – „jemand reibt sich am Auge, infizierte Tränenflüssigkeit gerät an die Hände und so auf Türklinken oder beim Händeschütteln auf andere“, so der Mediziner.

Eine Übertragung per Tröpfcheninfektion, also beim Anhusten oder Niesen, sei hingegen nicht möglich. Adenoviren machen sich besonders im Herbst und Frühling bemerkbar, wenn das Immunsystem vieler Menschen geschwächt ist. Laut RKI gab es in Deutschland in diesem Jahr bereits 506 gemeldete Fälle, die Erkrankungen in Nordrhein-Westfalen noch nicht mitgerechnet. Mit 102 die meisten Patienten gab es bislang in Baden-Württemberg, keine Meldung kam aus Bremen, in Hamburg waren es bislang 34.