Walter Willems. Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine tückische Krankheit, die zur Erblindung führt. Betroffen ist ein Teil der Netzhaut

Die Erkrankung, die in Industrieländern vielen Millionen meist älteren Menschen das Sehvermögen kostet, betrifft nur ein winziges Areal der Netzhaut. Etwa sechs Quadratmillimeter groß ist die Makula – jene Fläche im Zentrum der Netzhaut, wo Sehstäbchen und -zäpfchen sehr eng angeordnet sind. Probleme dort haben besonders üble Folgen, denn dies ist die Stelle, mit der wir beim Sehen fokussieren – etwa beim Lesen.

Bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) verschlechtert sich der Zustand des Minifleckchens zunehmend. Allein in Deutschland seien von der Erkrankung zwei Millionen Menschen betroffen, Frauen häufiger als Männer, sagt Nicole Eter, Direktorin der Universitäts-Augenklinik Münster. Größter Risikofaktor ist – neben Alter und Erbanlagen – das Rauchen. Tabak steigert die Erkrankungsgefahr Studien zufolge um das Dreifache.

Das Augenleiden beginnt meist schleichend. „Die Patienten merken das anfangs nicht“, sagt Eter. In der Frühphase häufen sich unter der Netzhaut Stoffwechselprodukte, die die Zellen nicht mehr abbauen können. Diese Ablagerungen, sogenannte Drusen, wölben die Makula auf. Erst wenn die Krankheit weiter fortschreitet, merken die Betroffenen die Veränderungen. „Da können die Kacheln im Bad Schlangenlinien bilden“, erläutert Eter. Möglich sei auch, dass dunkle Punkte das Sehen behindern und etwa einen Buchstaben verdecken. Dann sollten Menschen unbedingt zum Augenarzt gehen, rät Eter.

Zwei unterschiedliche Formen mit gravierenden Folgen

Augenmediziner unterscheiden zwei Spätformen der AMD. Bei der weitaus häufigeren trockenen Spätform – der geografischen Atrophie (GA) – richtet der Zellmüll die Pigmentzellen irreversibel zugrunde. Der Prozess läuft deutlich langsamer ab als bei der anderen Form, der feuchten AMD. Das Fortschreiten lässt sich derzeit nicht durch eine Therapie aufhalten. Bei der – gravierenderen – feuchten Spätform, die in Deutschland mehrere Hunderttausend Menschen betrifft, wachsen unter die Netzhaut Blutgefäße ein, die oft undicht sind. Die austretende Flüssigkeit lässt die Sehzellen ebenfalls unwiederbringlich absterben, die Netzhaut vernarbt. Doch zum Glück lässt sich das Wachstum dieser Gefäße bremsen oder gar aufhalten – sofern das Problem zeitig erkannt wird. „Die feuchte Form schreitet viel schneller voran als die geografische Atrophie“, sagt Eter. „Sie kann in wenigen Tagen entstehen. Dann ist eine unverzügliche Therapie wichtig.“

Die Therapie der feuchten AMD erlebte vor gut zehn Jahren einen Durchbruch. Seitdem verwenden Ärzte einen Antikörper, der den Wachstumsfaktor VEGF hemmt und so das Einwachsen von Gefäßen in die Netzhaut verhindert. „Die Anti-VEGF-Therapie war und ist ein Meilenstein“, sagt Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn. „Wir können die Netzhauterkrankung damit zwar nicht heilen, aber über Jahre bremsen und weiteren Sehverlust verhindern.“ Studien zufolge stabilisiert oder bessert der Wirkstoff das Sehvermögen bei über 90 Prozent der Patienten, bei etwa jedem Dritten steigt die Sehkraft deutlich.

Bei der Therapie spritzt der Mediziner dem Patienten den Antikörper in den Augapfel – anfangs in vierwöchigen Abständen. Trotz des erfreulichen Fortschritts sorgte die Neuerung damals bei vielen Ärzten und Krankenkassen aber für Unmut: Das dafür zugelassene Medikament Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab) kostet pro Injektion 1200 Euro – ebenso wie das 2012 zugelassene Präparat Eylea (Wirkstoff: Aflibercept). Wegen des hohen Preises bevorzugen manche Kassen und Mediziner das Mittel Avastin (Wirkstoff: Bevacizumab). Das Krebsmittel ähnelt Lucentis stark, kostet aber mit einem Preis von etwa 60 Euro pro Injektion nur ein Zwanzigstel davon. Große Studien bescheinigen den drei Präparaten ähnliche Erfolgsraten.

Nun zeichnet sich eine Änderung des Therapieschemas ab, die Patienten entlasten könnte. „Bisher war es üblich, dass man bedarfsgerecht injiziert hat“, erläutert Holz. „Die Patienten mussten alle vier Wochen kommen. Dann hat man sie untersucht und bei Nachweis von Krankheitsaktivität auch behandelt.“ Erfahrungen im Alltag zeigen jedoch, dass Betroffene mitunter seltener als nötig zu den Terminen erscheinen, auch wegen des hohen Aufwands. Aber gerade weil neue, undichte Gefäße rasch einwachsen und dann die Makula irreversibel schädigen können, kann das Versäumen von nur einem Termin mitunter schwere Konsequenzen haben.

Bessern ließe sich die Lage Holz zufolge mit dem bereits in den USA etablierten Schema „Treat and extend“ („Behandeln und ausdehnen“). Dabei injiziert der Augenarzt dem Patienten die ersten drei Male monatlich, dann bei jedem weiteren Besuch. „Allerdings wird das Intervall von Termin zu Termin immer um zwei weitere Wochen verlängert, sofern die Makula trocken ist“, sagt Holz. „Der Patient wird dann nicht schon in vier, sondern unter Umständen erst in sechs, acht, zehn oder zwölf Wochen wieder in die Klinik einbestellt.“ So können die Behandlungsabstände auf maximal drei Monate ausgedehnt werden. Findet der Arzt allerdings neue Aktivitätszeichen der Erkrankung, werden die Intervalle wieder verkürzt. Große Studien zeigen laut Holz, dass dieses Vorgehen ebenso wirksam ist wie die bisherigen monatlichen Besuche.

Allerdings schreitet die trockene Variante der Erkrankung auch bei erfolgreicher Behandlung der feuchten Form fort. Möglicherweise fördert die Spritzentherapie gegen die feuchte AMD sogar das Voranschreiten der Geografischen Atrophie. Bewiesen ist der Zusammenhang nicht, aber Vorsicht sei angebracht, sagt Holz: „Wegen dieser Hinweise sollte man diese Therapie nicht häufiger als nötig verabreichen.“

Bald könnte es auch eine Therapie für die trockene Spätform geben. Demnach befindet sich der Wirkstoff Lampalizumab schon in Zulassungsstudien. Das Mittel soll – ähnlich wie Lucentis und Eylea – im Abstand von etwa vier bis sechs Wochen in den Augapfel injiziert werden, sagt Holz, an dessen Klinik das Präparat derzeit getestet wird. Ersten Studien zufolge kann dies den Verlauf der trockenen Spätform um etwa 20 Prozent bremsen. Sollten die bereits laufenden großen Studien die Wirksamkeit und Sicherheit bestätigen, gäbe es erstmals einen Wirkstoff gegen die trockene Spätform der AMD.