Berlin. Studie sammelte Daten aus 30 europäischen Ländern. 91.000 Todesfälle im Jahr

In den Kliniken Europas sterben nach einer neuen Studie hochgerechnet 91.000 Patienten pro Jahr an Krankenhausinfektionen. Die Forscher gehen von insgesamt 2,6 Millionen Infektionen aus, die sich Patienten erst in einer Klinik zuzogen. Zu den häufigsten Krankenhausinfektionen gehören Lungenentzündungen, Sepsis (Blutvergiftung), Harnwegs- und Wundinfektionen, wie die Forscher im Fachblatt „Plos Medicine“ berichten.

„Die Studie ist in meinen Augen die beste, die ich zu diesem Thema gesehen habe, nicht nur in Europa“, sagte Petra Gastmeier, Direktorin des Nationalen Referenzzentrums zur Überwachung von Krankenhausinfektionen an der Berliner Charité. Für Deutschland schätzt sie die Zahl der Krankenhausinfektionen pro Jahr auf 500.000. Dadurch kommt es zu geschätzt bis zu 15.000 Todesfällen. Ein Drittel der Krankenhausinfektionen gilt als vermeidbar – etwa durch bessere Hygiene.

Für ihre Studie haben die Forscher um Alessandro Cassini vom Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) vor allem auf Daten dieses Zentrums zurückgegriffen. Sie wurden 2011/12 in 30 europäischen Ländern mit 510 Millionen Einwohnern erhoben. Als Basis für die Auswertung dienten am Ende die Daten von 274.000 Patienten in 1150 Akutkrankenhäusern. Die Krankenhausinfektionen sind nach Angaben der Autoren zugleich Ursache für 2,5 Millionen beeinträchtigte oder verlorene Lebensjahre jährlich in Europa.

Patienten werden immer anfälliger

Bei den Hochrechnungen wurden Krankenhausinfektionen, die durch multiresistente Erreger ausgelöst wurden, nicht separat ausgewiesen. Sie sind in die Gesamtzahl eingeflossen. In der Studie seien 85 bis 90 Prozent der in den 30 Ländern vorkommenden Krankenhausinfektionen erfasst worden, so Gastmeier. Eine solche Infektion bekommt ein Patient per Definition in einer Klinik. „Er hatte sie noch nicht, als er aufgenommen wurde und er war auch noch nicht mit diesen Erregern infiziert“, erläutert Gastmeier. „Am ersten und zweiten Tag in einer Klinik sind es in der Regel mitgebrachte Infektionen, ab Tag drei gilt es als Krankenhausinfektion“, ergänzt sie.

In Deutschland bekommen 3,5 Prozent der Patienten auf Allgemeinstationen eine Krankenhausinfektion, 15 Prozent auf Intensivstationen. Zwar haben viele Kliniken die Händehygiene verbessert, und es gibt mehr geschultes Personal. „Doch die Patienten werden immer älter und kränker und damit noch anfälliger für Infektionen“, berichtet Gastmeier. Zwischen 1000 und 4000 Todesfälle gehen in Deutschland pro Jahr auf das Konto multiresistenter Erreger. Möglichkeiten zur Vermeidung von solchen Infektionen sieht sie vor allem bei der Antibiotika-Verordnung: „Da könnten wir sparen, vor allem im ambulanten Bereich.“ So sollten möglichst keine Breitspektrum-Präparate verordnet werden.