Rostock. Der Klimawandel lässt heute schon Eisbären vereinzelt zu Kannibalen werden

Die Wissenschaftler bei der Rostocker Fachtagung deutscher Polarforscher sind sich einig: Der Klimawandel wird die Tier- und Pflanzenwelt in den Polarregionen und den angrenzenden Meeren erheblich verändern. Wie genau, sei noch unklar. Zu vermuten seien ähnliche Effekte wie in den tropischen Regenwäldern. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dort durch Klimawandel und Rodungen jährlich Hunderte Arten verschwinden könnten – darunter viele noch gar nicht wissenschaftlich beschriebene. „Für die riesigen Ozeane in den Polarregionen ist Ähnliches zu vermuten“, sagt Ulf Karsten vom Lehrstuhl für angewandte Ökologie und Phykologie der Universität Rostock.

Für die Unsicherheit der Wissenschaft gebe es einen einfachen Grund, sagt er: Die Polarmeere sind meist mit Eis bedeckt, ein Schiff muss in der verbleibenden eisfreien Zeit unter großem technischem und finanziellem Aufwand hinfahren, und es können nur punktuell Proben aus mehreren Kilometern Tiefe geholt werden.

Doch schon das, was bekannt ist, sollte ausreichen, um rasche und massive Änderungen der internationalen Klimapolitik herbeizuführen, sind sich die Forscher einig. So war das Weddell-Meer vor der antarktischen Halbinsel gegenüber Südamerika noch vor wenigen Jahren scheinbar unverwundbar mit Eis bedeckt. „Das Eis ist wichtig für den Krill, um sich erfolgreich fortzupflanzen“, sagt Karsten. Als Krill werden kleine Krebstiere bezeichnet, die riesige Schwärme bilden.

Gehe das Eis zurück, gebe es weniger Krill und damit weniger Nahrung für viele Wal-, Fisch- und Vogelarten. Es sei zwar bekannt, dass der Lebensraum des Krills durch andere Organismen wie Salpen besetzt wird. Dies sind bis zu acht Zentimeter große, wirbellose Tiere. „Es ist nur die Frage, ob Salpen genauso gerne gefressen werden wie Krill - die Antwort heißt wohl eher ‘Nein’.“ Der Eisbär leide schon jetzt erheblich unter den Veränderungen. „Das Eis als Lebensraum ist teilweise weggefallen, die Robben als Nahrungsgrundlage fallen weg und Kannibalismus wird beobachtet“, sagt Karsten. Die Bären näherten sich verstärkt menschlichen Siedlungen oder die Tiere fräßen das Gelege bodenbrütender Vögel, die wiederum ein Problem mit ihrer Vermehrung bekämen.