Hamburg. Lungenfunktion, Ultraschall, EKG, Fragebögen – das Abendblatt hat Leserin Silke Kohlmorgen bei den ersten Untersuchungen begleitet

„Aus, aus, aus – uuund tief einatmen“ – anfeuernde Worte für Silke Kohlmorgen, die in einer Telefonzellen-ähnlichen Kabine sitzt und gerade einen Lungenfunktionstest macht. Ausatmen, bis nichts mehr geht, und wieder einatmen. So geht das minutenlang. Die Anweisungen von Studienassistentin Jeannette Höhne kommen zügig. „Das war ganz schön anstrengend“, sagt Silke Kohlmorgen nach dem Test.

Die 53 Jahre alte Abendblatt-Leserin nimmt an der großen Studie des Universitätsklinikums Eppendorf teil, in der 45.000 Hamburger auf bisher unbekannte Risikofaktoren für die großen Volkskrankheiten untersucht werden sollen. Das Abendblatt wird sie während der Studie begleiten.

Dafür müssen sie zu Beginn einen sechsstündigen Untersuchungsmarathon hinter sich bringen. Der Lungenfunktionstest war die erste Station für Silke Kohlmorgen an diesem Nachmittag um 14.30 Uhr. Sie ist die 2110. Teilnehmerin, die seit Beginn der Studie im Februar untersucht wird.

Pro Tag werden 24 Studienteilnehmer untersucht

Um kurz vor 15 Uhr geht es gleich weiter in den nächsten Raum. Jetzt stehen die Blutentnahmen auf dem Programm. Silke Kohlmorgen sitzt in einem bequemen Liegestuhl. Die Blutentnahme gestaltet sich etwas schwierig, weil ihre Venen schlecht zu finden sind. Aber nach einigen Versuchen ist auch das überstanden. Silke Kohlmorgen nimmt es gelassen. Im nächsten Raum geht es auf den Zahnarztstuhl. Studienassistent Steffen Lorenz untersucht ihre Zähne und das Zahnfleisch auf Parodontitis.

Danach muss Silke Kohlmorgen beginnen, den Stapel Fragebögen auszufüllen, den sie bei der Anmeldung mitbekommen hat. Sie ist guter Dinge. Nachdem sie vom UKE angeschrieben wurde mit der Bitte, an der Studie teilzunehmen, hat sie nicht lange gezögert, sich noch einmal mit Tochter Nina besprochen und dann eingewilligt. „Ich finde das gut, weil hier so viele Untersuchungen gemacht werden, das ist für mich eine gute Gelegenheit, einen großen Gesundheitscheck machen zu lassen“, sagt sie. Dafür ist sie heute aus Lohbrügge angereist, wo sie mit ihrem Ehemann in einer Dreizimmerwohnung lebt. Die beiden Töchter Nina (27) und Julia (23) sowie Stiefsohn Marco (34) sind schon aus dem Haus. Silke Kohlmorgen arbeitet halbtags als Seniorenbetreuerin beim DRK und hilft Bewohnern einer kleinen Wohnanlage mit 20 Wohnungen bei alltäglichen Aufgaben wie Behördengängen oder Einkäufen. Ihre Freizeit verbringt sie mit ihrem Ehemann jetzt im Sommer vor allem in ihrem Kleingarten, wo sie auch Gemüse für den Eigenbedarf anbaut.

Doch zurück nach Eppendorf. Es ist jetzt 16.10 Uhr, im vierten Untersuchungsraum wartet der Arzt Vladislavs Sokalskis, um die Halsschlagader und das Herz mit dem Ultraschallgerät zu untersuchen. Und er gibt Silke Kohlmorgen auch gleich das Ergebnis mit auf den Weg: alles okay, keine Hinweise auf eine Arteriosklerose. In diesem Raum wird auch die Haut auf Hautkrebs untersucht. Auch dafür gibt es bei Frau Kohlmorgen keine Anhaltspunkte.

Dann heißt es wieder für die kommenden 25 Minuten: Fragebögen aus­füllen. „In den Fragebögen müssen die Studienteilnehmer unter anderem Fragen zu ihrer Krankengeschichte und zu der ihrer Familie beantworten, zu Ernährungsgewohnheiten und sportlichen Aktivitäten, Ausbildung und Berufserfahrung, Arbeit im Schichtdienst, zu den Medikamenten, die sie einnehmen, und zu ihrer seelischen Gesundheit“, sagt Dr. Annika Jagodzinski, Leiterin des Studienzentrums. Die Fülle von Daten, die hier erhoben wird, wird in einer speziellen Datenbank gespeichert, auf die nur die Mitarbeiter, die die Datenbank betreuen, Zugriff haben. Die Daten werden dreimal pseudonymisiert, sodass keine Rückschlüsse auf die Identität der Studienteilnehmer möglich sind. Dazu dient auch eine weitere Maßnahme: „Für Auswertungen werden immer nur Teile der pseudonymisierten Daten an unsere Wissenschaftler weitergegeben, sodass keiner von ihnen alle Daten eines Untersuchungsteilnehmers einsehen kann“, sagt Jagodzinski.

24 Studienteilnehmer werden täglich von Montag bis Sonnabend hier untersucht, von 7 bis 20.30 Uhr. Silke Kohlmorgen ist heute die letzte. Um 17.30 ist Halbzeit. Jetzt werden gerade Hauptschlagader und Blutgefäße der Beine mit dem Ultraschall überprüft. Auch hier ist alles in Ordnung. Dann geht es weiter, immer im 25-Minuten-Takt, Fragebögen ausfüllen, neurologische Untersuchungen, EKG, Blutdruckmessen, Körpermaße bestimmen, Gedächtnistests. Silke Kohlmorgen ist immer energischen Schrittes unterwegs, von einem Untersuchungsraum in den nächsten.

Um 20 Uhr ist es fast geschafft. Jetzt kommt noch das Abschluss­gespräch. Dort erhält sie einen Umschlag mit allen Untersuchungergebnissen, den sie zu Hause in Ruhe studieren kann. Außerdem wird sie gefragt, ob sie auch an einer Magnetresonanztomografie von Herz und Gehirn teilnehmen möchte. Sie stimmt zu und wird in den kommenden Wochen eine Einladung zu dieser Untersuchung erhalten.

Um 20.30 Uhr ist es geschafft. Der quirligen Frau ist von den Anstrengungen der vergangenen Stunden nichts anzumerken. Sie marschiert zum Ausgang, wo ihr Ehemann sie abholt. In sechs Jahren wird sie wieder hierherkommen und sich sechs Stunden lang auf Herz und Nieren untersuchen lassen. So sieht es die Studie vor. Zwischendurch wird sie immer mal wieder Anrufe von den Mitarbeitern des Studienzentrums erhalten, die sich nach ihrem Gesundheitszustand erkundigen. „Die Atmosphäre im Studienzentrum fand ich sehr nett, alle waren sehr freundlich. Mir gefällt die Studie, und ich freue mich, dabei zu sein“, sagt Silke Kohlmorgen. Doch für heute ist erst einmal Schluss. Zum Ausklang dieses aufregenden Tages geht sie jetzt mit ihrem Mann essen.