Berlin . Stiftung Warentest hat beide untersuchen lassen. Ergebnis: Mineralwasser werde überschätzt. Rückstände seien ungefährlich

In Deutschland ist es eine Glaubensfrage: Flaschen schleppen oder Hahn aufdrehen. Ist eines von beiden wirklich besser? Stiftung Warentest hat Leitungswasser und stille Mineralwässer in einer bundesweit angelegten Untersuchung getestet. Die Prüfer nahmen Trinkwasserproben aus Wasserhähnen in den Rathäusern von 28 ausgewählten Städten in Deutschland – auch in Hamburg – und untersuchten 30 stille Mineralwässer aus Flaschen.

Die Verbraucherschützer wiesen im Trinkwasser von 21 Orten Medikamente, Röntgenkontrast- und Korrosionsschutzmittel, Pestizide und Süßstoffe nach. Allerdings in so geringer Konzentration, dass die Funde laut Stiftung Warentest gesundheitlich unbedenklich sind. Viele liegen unter 0,1 Mikrogramm pro Liter – nicht mal ein millionstel Gramm. 27-mal stießen die Prüfer auf Nitrat, das meist über Gülle und Kunstdünger in Grund- und auch Trinkwasser gelangt. In großen Mengen kann es krebserregend wirken. Aber auch hier blieben alle Proben deutlich unter dem Grenzwert von 50 Milligramm je Liter.

Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat fanden die Prüfer in keiner Trinkwasserprobe. Bei den Mineralwässern waren lediglich fünf der 30 Test-Kandidaten verunreinigt – Alwa Naturquelle, Gaensefurther Schloss Quelle Naturelle, Harzer Grauhof Naturell, Märkisch Kristall Naturell und Vio Still – unter anderem mit Pestiziden, drei mit Ampa (Aminomethylphosphonsäure), dem Hauptabbauprodukt von Glyphosat. Dass kein Glyphosat im Trinkwasser nachweisbar war, überrascht die Lebensmittelexpertin Ina Bockholt von der Stiftung Warentest nicht: „Es baut sich schnell ab und kann bei der Aufbereitung herausgefiltert werden.“

Auch die übrigen Rückstände seien erwartbar gewesen, da viele Stoffe mit dem Regen durch den Boden ins Grundwasser gespült werden. Leitungswasser wird in Deutschland zu 62 Prozent aus Grundwasser gewonnen. Überraschender seien die oberirdischen Verunreinigungen in den fünf Mineralwässern.

„Mineralwasser darf praktisch nicht behandelt werden, anders als Trinkwasser. Dringen Verunreinigungen in die Quelle ein, kann das auf eine defekte Anlage oder Undichtigkeiten hindeuten“, so Bockholt. „Alle gemessenen Werte sind sehr gering, man kann beide Wassertypen bedenkenlos trinken.“ Es gebe aber einige Faktoren, die eher für Leitungswasser sprechen. „Trinkwasser kostet – inklusive Abwassergebühr - pro Liter 0,5 Cent, das günstigste Mineralwasser im Test liegt bei 24 Cent pro Liter. Zudem schneidet Trinkwasser ökologisch besser ab, es muss nicht abgefüllt und transportiert werden, ist überall verfügbar“, so die Expertin.

Abbauprodukte von Pestiziden und die höchste Nitratkonzentration im Trinkwasser wiesen die Tester in der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde Bruchhausen-Vilsen in Niedersachsen nach, gefolgt vom baden-württembergischen Sersheim und Stuttgart. In Metropolen wie Hamburg, München und Berlin machten die Tester Süßstoffe im Trinkwasser ausfindig, die aus zuckerfreien Getränken stammen können. Medikamentenrückstände fanden die Prüfer im Trinkwasser der baden-württembergischen Städte Sersheim, Stuttgart und Vaihingen an der Enz, in Berlin, im schleswig-holsteinischen Aumühle und im thüringischen Schmalkalden. Darunter Stoffe und Abbauprodukte von Schmerz- und Diabetesmitteln.

Für all diese Spurenstoffe gibt es bislang keine Grenzwerte. „Für solche Fälle hat das Umweltbundesamt das Konzept der gesundheitlichen Orientierungswerte entwickelt“, so Bockholt. Solange keine ausreichenden Daten zur Auswirkung bestimmter Rückstände vorlägen, werde für sie ein so niedriger Wert angesetzt, dass eine Gefährdung bei lebenslangem Konsum auszuschließen sei. In keiner Trinkwasserprobe wurden diese Orientierungswerte überschritten. Dennoch können Medikamente im Wasser zum Problem werden, teils schaden sie Tieren und Umwelt. Wasserbetriebe appellieren an Verbraucher, Medikamente nie in Toilette oder Waschbecken zu entsorgen, sondern diese in den Hausmüll zu werfen oder zurück in die Apotheke zu bringen.

Für manche Stoffe im Wasser ist nicht der Mensch verantwortlich, etwa Chrom (VI). Er kommt natürlich in Gestein vor, ist wasserlöslich und krebserregend. Die Tester fanden ihn in vielen Trinkwasserproben, aber auch in den getesteten Mineralwässern. „Die Problematik ist noch relativ neu“, sagt Bockholt, „das Umweltbundesamt diskutiert seit 2014 einen Leitwert von 0,3 Mikrogramm pro Liter.“ Dieser Wert sei in keiner Weise bindend. Sechs Trinkwässer im Test liegen leicht darüber, die Werte gelten aber noch als tolerabel. Auch drei Mineralwässer liegen darüber. Ein erhöhtes gesundheitliches Risiko sei dadurch nicht zu befürchten.

Warum Mineralwasser
keine Noten bekommt

Das namensgebende Merkmal von Mineralwässern – der Mineralstoffgehalt – übersteigt den von Trinkwasser laut Stiftung Warentest nur selten. Nur acht liegen über dem Niveau des mineralstoffhaltigsten Leitungswassers im Test, lediglich sechs haben einen hohen Mineralstoffgehalt – Carolinen Naturelle, Contrex, Ensinger Sport, Extaler, Steigerwald und Alwa Naturquelle. Den gesamten Tagesbedarf eines Menschen kann Wasser generell nicht decken.

Aufgrund des unterschiedlichen Mineralstoffgehaltes bekommen die Wässer auch kein Testqualitätsurteil, wie sonst bei Stiftung Warentest üblich. „Für einige Menschen ist etwa ein hoher Sulfatanteil, der abführend wirken kann, von Vorteil. Anderen kann das aber schaden“, erklärt Bockholt. Eine Bewertung nach einheitlichen Kriterien sei daher nicht möglich.

Eine Empfehlung geben die Verbraucherschützer dennoch ab: Zehn Mineralwässer (Tabelle) seien geschmacklich einwandfrei und ohne Verunreinigung. Andere bekamen Abzüge, sechs seien etwa nicht für Immungeschwächte wie Babys und Ältere geeignet, darunter Märkisch Kristall Naturell und Gerolsteiner Naturell. „Wir haben noch eine zusätzliche strengere Prüfung durchgeführt, die über die Ansprüche hinausgeht, die Mineralwässer sonst erfüllen müssen“, so Bockholt. Dabei seien Keime entdeckt worden, die für Gesunde unbedenklich, aber für Immungeschwächte gefährlich sein können.