Cambridge. Musiktest beim Volk der Tsimane im bolivianischen Regenwald liefert den Beweis

Wir lieben, was wir kennen – einer neuen Studie zufolge gilt das auch für Musik. Menschen, die nie westlicher Musik ausgesetzt waren, nehmen keine ästhetischen Unterschiede wahr zwischen Klängen, die westlich sozialisierte Hörer als angenehm harmonisch oder aber als dissonant und schräg empfinden. Eine Vorliebe für bestimmte Harmonien sei somit nicht angeboren, folgern US-Forscher um Josh McDermott vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge im Fachmagazin „Nature“.

Die Wissenschaftler hatte die musikalischen Vorlieben von 64 Mitgliedern des Tsimane-Volkes getestet, das abgeschieden im bolivianischen Regenwald lebt. Ihnen wurden über Kopfhörer diverse Akkorde und Gesangsharmonien westlicher Musik vorgespielt. Es zeigte sich, schreiben die Forscher: „Die Tsimane fanden Dissonanzen ebenso angenehm wie harmonisch übereinstimmende Klänge.“

Eine Vergleichsgruppe aus 50 bolivianischen Stadtbewohnern, die schon gewisse Hörerfahrungen mit westlicher Musik hatten, bewerteten die Dissonanzen schon als unangenehmer. Die stärkste Bevorzugung harmonischer Klänge fand sich jedoch in der dritten Testgruppe, die aus 48 US-Amerikanern – die Hälfte davon Musiker – bestand. Sollten die drei Gruppen hingegen andere Laute bewerten, etwa Lachen, Seufzen oder auch synthetisch erzeugte, raue, sich reibende Klänge, unterschieden sich ihre Bewertungen nicht voneinander.

„Die beobachtete Variation in den Vorlieben ist wahrscheinlich dadurch bestimmt, welchen musikalischen Harmonien wir ausgesetzt sind. Sie legt nahe, dass die Kultur eine bestimmende Rolle dabei spielt, wie unser ästhetisches Ansprechen auf Musik geformt wird“, schreibt McDermotts Team. Folgeanalysen mit weiteren Tsimane hätten die ersten Ergebnisse bestätigt.

Viele Forscher gehen bislang davon aus, dass die ästhetische Reaktion auf Gleichklänge biologisch bedingt und quasi weltweit angeboren ist. Musik-Ethnologen und Komponisten hingegen nehmen zumeist an, dass Gleichklang (Konsonanz) ein Produkt westlicher Musikkultur ist.