London. Im englischen Dorf Eyam starben vor 350 Jahren 37 Prozent der Einwohner – vor allem arme und junge

    Anhand neuer Daten und statistischer Modelle haben Forscher den Pestverlauf vor 350 Jahren in der englischen Ortschaft Eyam nachgestellt. Das sogenannte Pest-Dorf wurde berühmt, weil die Einwohner zu Beginn des Ausbruchs eine Quarantäne über sich selbst verhängten, um die umliegenden Gemeinden zu schützen.

    Während der 14 Monate anhaltenden Epidemie starben vor allem junge und arme Bewohner. Im Gegensatz zur bisherigen Meinung steckten sich die meisten der rund 260 Opfer aber nicht über Nagetiere wie Ratten an, sondern bei anderen Menschen, berichten die Epidemiologen Lilith Whittles und Xavier Didelot vom Imperial College London im Fachblatt „Proceedings B“.

    In der Grafschaft Derbyshire südwestlich von Sheffield wütete die aus London eingeschleppte Pest vom 6. September 1665 bis zum 1. November 1666. Whittles und Didelot werteten Gemeindeunterlagen aus, in denen etwa Todestage und -ursachen registriert waren. Darüber hinaus erstellten die Wissenschaftler mathematische Modelle, um die Ausbreitung zu rekons­truieren. Demnach starben 37 Prozent der Bewohner an der Pest. Fast drei Viertel der Opfer steckten sich über Menschen an – vermutlich über Menschenflöhe oder -läuse. Nur 27 Prozent infizierten sich über Nagetiere.

    Dieser überraschende Befund erklärt viele weitere Ergebnisse der Studie: Erwartungsgemäß war die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, erhöht, wenn ein Pestopfer im gleichen Haushalt lebte. Das Risiko sei dann um das 100-Fache gestiegen, errechnen die Forscher. Zudem waren junge Menschen gefährdeter als alte: Gut 45 Prozent der Todesopfer waren unter 18 Jahre alt – mehr als anhand der Altersstruktur zu erwarten wäre. Sie hatten wohl mehr Kontakt zu anderen Bewohnern, vermuten die Forscher.

    Wohlhabende Menschen stellten dagegen deutlich weniger Opfer. Von den 201 Menschen aus Haushalten, die in einem Steuerregister aufgeführt waren, starben 52. Von den 488 ärmeren Bewohnern kamen dagegen 205 um. Möglicherweise seien die reicheren Haushalte hygienischer und hatten seltener Ratten oder menschliche Parasiten, schreiben Whittles und Didelot.

    Die durch das Bakterium Yersinia pestis übertragene Pest zählt zu den tödlichsten Infektionskrankheiten der Menschheitsgeschichte. Vor allem als „Schwarzer Tod“ ging sie in die Geschichte ein, an dem im 14. Jahrhundert in Europa rund 25 Millionen Menschen starben. Oder als Pandemie ab Mitte des 19. Jahrhunderts, die vor allem China und Indien heimsuchte. Noch immer gebe es regionale Pestfälle etwa in Afrika und Südamerika, schreiben die Forscher. Der Erreger Y. pestis habe weltweit Reservoire vor allem in Nagetieren.