Hamburg. Arne hat vor fünf Jahren beschlossen, vegetarisch zu leben. Jetzt ist er Veganer. Hier spricht er über seinen Blog und Fleischeslust.

Hamburger Abendblatt: Es gibt diesen Witz: Woran erkennt man einen Veganer?

Arne: ...dass er es einem erzählt. Den kenne ich in der Tat.

Wie oft haben Sie den schon hören müssen?

Arne: Noch nicht so häufig. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich das Thema Veganismus auf meinem Blog nicht häufig explizit thematisiere. Der Blog ist mittlerweile einige Jahre rein vegan, aber es gibt keine Beiträge, in denen ich das besonders betone oder andere dazu aufrufe „vegan zu sein“. Für mich stehen die Rezepte und der Spaß am Kochen klar im Vordergrund. Das Lustige am Witz ist eigentlich, dass es meistens genau andersherum läuft. Es sind fast immer die Nicht-Veganer, die einen triezen bzw. darauf aufmerksam machen müssen, dass sich jemand im Umfeld vegan ernährt.

Also ist an dem Witz eigentlich gar nichts dran?

Arne: Klar kenne ich auch Personen, bei denen man das Gefühl hat, dass es ihnen wichtig ist sich mitzuteilen. Gerade wenn das Thema Veganismus neu für Sie ist, aber das sind ganz klar Einzelfälle. Bei mir gab es nicht den einen Tag, an dem ich vegan geworden bin. Dadurch, dass sich die Umstellung über einige Monate hingezogen hat, hatte ich auch überhaupt nicht das Bedürfnis ständig darüber zu sprechen.

Können Sie sich trotzdem vorstellen, warum es Veganern so wichtig ist, über das Vegansein zu reden?

Arne: Ich kann mir vorstellen, dass es für einige ganz klar eine Abgrenzung und sicherlich auch etwas Besonderes darstellt. Generell ist es natürlich ein sehr emotionales und persönliches Thema. Je nach persönlicher Einstellung hat der ein oder andere das Gefühl, etwas Gutes zu tun, nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Tiere, die Umwelt usw. Dies möchte man gerne seinem Umfeld zeigen und sucht vielleicht auch Bestätigung in seinem Handeln.

Inwiefern ist es emotional?

Arne: Wenn du aktuell einen Artikel zum Thema Veganismus oder Tieren in der Massentierhaltung schreibst, kannst du sicher sein, dass du damit eine hitzige Diskussion entfachen wirst. Dabei werden Kommentare fallen, die mit dem Thema nicht mehr viel zu tun haben und schnell persönlich und beleidigend werden. Für viele Menschen ist das ein Thema, über das man nicht gerne nachdenkt oder offen spricht. Bereits wohlbekannte, sachliche Informationen, zum Beispiel zum Thema Massentierhaltung, werden häufig als Angriff auf die persönliche Freiheit interpretiert.

Sie sind bist erst Vegetarier geworden und dann schrittweise Veganer. Wie kam es, dass Sie sich dazu entschlossen haben, auf Fleisch zu verzichten?

Arne: Der Schritt zum Vegetarier kam damals durch meine Freundin. Als wir uns kennengelernt haben, hatte sie sich schon lange vegetarisch ernährt. Wenn wir damals gemeinsam gekocht haben, dann immer vegetarisch. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es für mich entgegen meiner Annahme überhaupt keinen Verzicht bedeutet hat, vegetarisch zu kochen und zu essen. Ich hatte auch nicht das Bedürfnis mir nebenbei noch „mein Steak“ anzubraten. Als ich mit meinem Studium fertig war, habe ich mich mit dem Thema Vegetarismus intensiver beschäftigt und mich dann recht schnell entschieden, kein Fleisch mehr zu essen.

Je detaillierter und länger ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe, umso klarer wurde, dass ich auch auf Milchprodukte und andere nicht-pflanzliche Produkte verzichten möchte. Auch dieser Prozess hat nicht von heute auf morgen stattgefunden, sondern sich kontinuierlich über Monate und Jahre hingezogen. Zuerst habe ich zu Hause rein vegan gekocht und nur außer Haus die ein oder andere „Ausnahme“ gemacht. Irgendwann war dann auch die Zeit gekommen, in jeder Situation konsequent auf tierische Bestandteile zu verzichten.

Welchen Stellenwert nehmen Essen und Ernährung in Ihrem Leben ein?

Arne: Einen sehr großen. Ich koche und esse für mein Leben gern und bin froh, wenn dafür im stressigen Alltag noch genug Zeit bleibt. Dadurch, dass mein Blog mittlerweile sehr umfangreich geworden ist und ich entsprechend viel Zeit investiere, setze ich mich natürlich sehr viel mit Rezepten, Nahrungsmitteln und dem Thema Ernährung auseinander. Manchmal denke ich sogar, dass das Thema einen zu großen Teil meines Lebens einnimmt. Besonders das Thema (vegane) Ernährung und das tagtägliche Essen ist immer präsent. Gerade wenn man unterwegs oder im Urlaub ist, macht es natürlich Spaß Essen zu gehen, aber ab und an möchte man sich einfach auch mal nicht darum kümmern müssen.

Wie hat Ihr Umfeld reagiert, als Sie Veganer wurden? Vegetarisch ist ja schon ziemlich verbreitet, aber vegan leben ist ja doch nochmal etwas anderes.

Arne: Bei mir war es mit Freunden und Familie recht einfach. Das lag auch daran, dass die Umstellung eben kontinuierlich und nicht von heute auf morgen erfolgt ist. Wenn man regelmäßig vegetarische Gerichte kocht, die ja auch vegan sein können, fällt das irgendwann auch nicht mehr auf. Als ich nach Hamburg gezogen und in ein neues Umfeld gekommen bin, war es ein bisschen schwieriger. Natürlich habe ich mich nicht als Veganer vorgestellt, aber irgendwann kommt das Thema natürlich auf. Klar gab es damals auch ein paar Kollegen, die einen damit regelmäßig aufgezogen haben. Ich habe mir das aber nie zu Herzen genommen und kann darüber lächeln. Erfahrungsgemäß sind diese Personen häufig die, die sich nicht sehr bewusst mit Lebensmitteln auseinandersetzen und so von ihren eigenen Essgewohnheiten ablenken möchten.

Beschränkt sich das Vegansein für Sie auf die Ernährung oder ist es eine Lebenshaltung, die sich auch auf andere Bereiche ausdehnt?

Arne: Ich versuche, das Thema konsequent umzusetzen, das heißt, nicht nur die Ernährung selber, sondern zum Beispiel auch auf Lederprodukte zu verzichten und bei Kosmetika auf entsprechende Inhaltsstoffe zu achten. Je länger und intensiver man sich mit bestimmten Aspekten beschäftigt, umso schwieriger wird es in vielen Bereichen natürlich und einhundert Prozent vegan leben geht nicht. Ich versuche, konsequent damit umzugehen und ziehe die Grenze dort, wo ich selber keinen Einfluss mehr habe bzw. haben kann.

Inzwischen ist Ihr Blog vielen Menschen zugänglich und wird gut angenommen. Welche Bedeutung hat das für Sie, dass Sie Ihre Ernährung der Öffentlichkeit zeigen?

Arne: Ursprünglich hatte ich auf dem Blog nur Rezepte für mich selber abgespeichert. Der Übergang zu einem Blog, den viele Tausend Menschen lesen, ist natürlich auch nicht von heute auf morgen passiert. Die Seite ist kontinuierlich größer und umfangreicher geworden. Im gleichen Maße wächst man selber auch in das Thema hinein und gewöhnt sich daran, in einem öffentlichen Umfeld zu agieren. Für mich ist das mittlerweile normal und es macht Spaß. Da es im Blog fast nie um den Veganismus als Einstellung, politische Themen oder Proteste geht, ist das häufig auch sehr unkompliziert. Entsprechend ist der Blog noch vergleichsweise „unpersönlich“ und eher ein kulinarisches Tagebuch.

Glauben Sie, dass Veganismus ein Trend ist oder eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung?

Arne: Aktuell würde ich es auf jeden Fall noch einen Trend nennen, der aber langsam an Fahrt verliert, da das Thema in den letzten Monaten und Jahren doch sehr präsent war. Der Veganismus führt aber definitiv kein Nischendasein mehr, wie es noch vor ein paar Jahren gewesen ist, sondern erreicht immer mehr Bevölkerungsteile. Vegan ist für viele mittlerweile kein Fremdwort mehr. Ob er sich in den nächsten Jahren noch weiter verbreitet, hängt von vielen Faktoren ab, die man aktuell wohl nur schwer abschätzen kann. Wichtig wird zum Beispiel die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung sein. Wie viel Geld, Zeit und Mühe sind die Menschen bereit, in Nahrungsmittel und ihre Ernährung zu investieren und können sie das? Ich bin aber sicher, dass das Thema Veganismus nicht einfach wieder verschwinden wird, dafür ist es für viele im Alltag schon zu präsent.

Ist gesunde Ernährung gerade ein Thema der Generation Y?

Arne: Ich denke, das Thema gesunde Ernährung ist auf jeden Fall wieder deutlich wichtiger geworden. Die Bereitschaft selber Zeit zu investieren, sei es zum Kochen oder sich mit Nahrungsmitteln auseinanderzusetzen, ist spürbar gestiegen. Ob dies in jedem Fall dazu führt, dass man sich gesünder ernährt, ist natürlich nicht automatisch gegeben. Die vielfältigen Möglichkeiten, sich im Alltag überall und jederzeit alles kaufen zu können, machen es nicht immer einfacher.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie irgendwann vom Veganismus abrücken und vielleicht sogar wieder Fleisch essen?

Arne: Eine schwierige Frage, aber im Moment kann ich mir es nicht vorstellen. Klar, Fleisch schmeckt, sonst würde es ja nicht in diesem Maße gegessen werden. Aber die Vorstellung, ein totes Stück Aas zu essen, schreckt mich mittlerweile sehr ab. Aktuell sehe ich kein Szenario, in dem ich sagen könnte, dass ich mit gutem Gewissen wieder ein tierisches Produkt essen würde.

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