Rübeland. Die seltenen Tiere haben fern ihrer natürlichen Heimat nach 60 Jahren Eier gelegt. Eine Sensation

Zu hören ist in der Höhle in Rübeland nichts außer einem gelegentlichen Tropfen. Aber im seichten Wasser des Grottensees mitten im Harz huscht etwas Weißliches durch den Lichtkegel der Taschenlampe. Dann zeigt sich ein augenloser Kopf unter einem Stein. Und plötzlich ist er zu sehen: ein Grottenolm, rund 30 Zentimeter lang und mehr als 60 Jahre alt.

Insgesamt sieben Exemplare der seltenen Schwanzlurchart leben in der Hermannshöhle. Es sind die einzigen Grottenolme Deutschlands und die am weitesten nördlich lebenden überhaupt. Die Tiere sehen aus wie eine Mischung aus Regenwurm, Aal und Albinosalamander und sind alle mindestens sechs Jahrzehnte alt. Jetzt wurden in ihrem See zum ersten Mal vier Eier gefunden, und im Harz steigt die Spannung, ob daraus Larven schlüpfen werden. „Wir haben wohl ein einziges Mal die Möglichkeit, das zu beobachten“, sagt Markus Mende, Vize-Leiter des Tourismusbetriebs der nahen Stadt Oberharz am Brocken (Sachsen-Anhalt). Mende zählt die Fortpflanzungsprobleme der Olme auf: Die Tiere legen nur alle paar Jahre Eier. Bei Revierkämpfen beißen sie sich gegenseitig schon mal Kiemenbüschel oder Beinchen ab. Und: Sie haben einen fatalen Appetit auf die eigenen Eier.

Eigentlich dürften die Olme gar nicht im Harz sein: Der natürliche Lebensraum der Amphibien sind Karsthöhlen entlang der Adria. Früher wurden sie für Drachenjunge gehalten. In den 1930er-Jahren beschaffte der damalige Rübeländer Höhlendirektor fünf Tiere aus diesem Gebiet und setzte sie als Touristenattraktion und Forschungsobjekte in dem künstlich geschaffenen Grottensee im Harz aus. In den 50er-Jahren importierte ein örtliches Ehepaar 13 weitere. Seitdem werden die Olme im Harz immer weniger.

Deshalb wurde Hilfe geholt. Schon 1981 führte der Hallenser Biologe Wolf-Rüdiger Große Geschlechtsuntersuchungen durch, untersuchte tote, tiefgefrorene Olme auf Krankheiten und Pilze. Als in den vergangenen Jahren immer mehr Tiere verendeten, kamen französische und norddeutsche Experten hinzu, die den Olmensee artgerechter ausrüsteten und die wissenschaftliche Beobachtung der Tiere anleierten.

Dafür ist Ute Fricke zuständig. Die Höhlenführerin sieht jeden Tag nach den Olmen und sucht den See nach weiteren Eiern ab. Seit Ende Februar überprüft Fricke außerdem wöchentlich das Wasser in den eigens für die Eier aufgestellten Aquarien. Darin ist der Nachwuchs sicher vor dem kannibalischen Hunger der Olme.

Ob am Ende Grottenolme schlüpfen werden, ist unklar, sagt Wolf-Rüdiger Große: „Man sieht es Amphibien-Eiern nicht sofort an, ob sie befruchtet sind.“ Wenn ja, müssten die Larven im Mai oder Juni schlüpfen.