Berlin. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Verbot viele Fragen aufgeworfen. Die Fakten über das elektronische Rauchen

Sie ist gefragt wie nie: die elektronische Zigarette. Rund 275 Millionen Euro kassierten Händler 2015 in Deutschland für Geräte und Zubehör. Raucher schätzen die E-Zigarette als weniger schädliche Alternative zum Tabakqualmen, Kritiker hingegen geißeln sie als Einstiegsmodell zur klassischen Nikotinsucht. Denn unter Jugendlichen gelten die elektrischen Glimmstängel als cool. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind kaum untersucht, auch rechtlich gab es bislang keinen Rahmen. Nun hat der Bundesgerichtshof den Handel vorerst verboten. Bis zum 20. Mai muss der Bundestag die EU-Tabakrichtlinie, die auch den Verkauf von E-Zigaretten regelt, in deutsches Recht umsetzen. Kurz: E-Zigaretten sind in aller Munde, das Wissen über sie ist begrenzt. Das Wichtigste zum Elektrorauchen.

Was sind E-Zigaretten eigentlich?

Der Begriff steht kurz für „elektrische Zigarette“. Im Gegensatz zu normalen Zigaretten wird hier kein Tabak verbrannt und inhaliert, sondern eine mit Hitze verdampfte Flüssigkeit. „Jede E-Zigarette besteht aus einem Batterieteil, einem Verdampfer und einem Mundstück“, erklärt Philip Drögemüller vom Verband des E-Zigarettenhandels. „Die Elektronik erhitzt bei Aktivierung des Geräts Heizwendel im Verdampfer. Diese verdampfen eine aromatisierte Flüssigkeit, das sogenannte Liquid. Der Dampf wird über das Mundstück eingeatmet.“ Die Gesamtkonstruktion gibt es als Mehrweg- und als Einwegsystem, wiederverwendbare E-Zigaretten können mehrfach mit Liquid befüllt werden. Der Akku ist wiederaufladbar.

Und was sind E-Shishas?

„Technisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen E-Zigaretten und E-Shishas“, so Drögemüller. Doch die Zielgruppe ist eine andere: Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind E-Shishas besonders bei Jugendlichen unter 18 bekannt, jeder fünfte Jugendliche hat sie schon einmal ausprobiert. Der mögliche Grund: „Häufig werden in E-Shishas ausschließlich süße oder fruchtige Liquidsorten ohne den Zusatz von Nikotin verwendet“, so Drögemüller. Ein Zusammenhang, den der Branchenverband kritisch sieht. „Kinder und Jugendliche sollten weder E-Zigaretten noch E-Shishas ausprobieren.“ Erst vor zwei Wochen verabschiedete der Bundestag einen Gesetzentwurf, der die Abgabe an Minderjährige verbietet.

Was sind die gesundheitlichen Folgen?

„Im Vergleich zu normalen Zigaretten sind E-Zigaretten weniger schädlich“, sagt Dr. Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Bei Zigaretten wird etwas verbrannt, dabei entstehen rund 90 krebserzeugende Stoffe. Bei E-Zigaretten wird eine Flüssigkeit verdampft. Auch dabei entstehen Schadstoffe, aber in wesentlich geringerem Maße.“ Schaden könnten sie aber dennoch.

Welche Stoffe stecken in E-Zigaretten?

Es gibt Liquids mit und ohne Nikotin. „Nikotin ist in erster Linie ein Suchtmittel“, erklärt Schaller, „neueste Studien zeigen aber, dass es hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken nicht so harmlos ist, wie die meisten glauben.“ Die meisten Liquids enthalten die Stoffe Propylenglykol, aus dem zum Beispiel auch Disconebel entsteht, oder Glyzerin. „Eine berauschende Wirkung haben diese Stoffe nicht, aber sie können atemwegsreizend wirken. Als Kurzzeitfolgen sind Husten, Beeinträchtigung der Lungenfunktion und Entzündungsprozesse in den Atemwegen bekannt.“

Auch die in einigen Liquids enthaltenen Aromen könnten gesundheitlich problematisch wirken, zum Beispiel der Stoff Diacetyl, der nach Butter schmeckt. „Es kann dadurch zu einer seltenen Atemwegserkrankung kommen. Sie wird auch „Popcorn-Lunge“ genannt, weil Mitarbeiter in einer US-amerikanischen Popcornfabrik daran erkrankten, nachdem sie viel Kontakt mit dem Aroma hatten. Andere Aromen haben allergene Wirkung.“

In einigen Liquids ist auch Alkohol, etwa in Form von Ethanol enthalten. „Eine US-Studie hat in Liquids bis zu 23 Prozent Alkohol nachgewiesen“, sagt Schaller. Welche gesundheitlichen Konsequenzen Alkohol in diesem Zusammenhang haben könnte, sei unklar. „Um die gesundheitlichen Folgen von E-Zigaretten auch langfristig abschätzen zu können, fehlen bislang noch Studien. Die Produkte sind dazu erst zu kurz auf dem Markt“, so Schaller.

Was sagen Kritiker?

Ein Hauptkritikpunkt neben gesundheitlichen Risiken ist vor allem der Jugendschutz. „Die E-Zigarette und die E-Shisha können ein Anreiz sein, das Rauchen zumindest mit diesen Produkten auszuprobieren“, schreibt die BZgA in ihrer Studie „Rauchen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland“. So könnten junge Menschen „das Rauchen üben“ und letzten Endes eine Sucht entwickeln, meint auch Gesundheitsexpertin Schaller, erste Studien würden diesen Effekt belegen. Die BZgA hat E-Zigaretten und E-Shishas deshalb zur neuen Aufgabe in der Prävention erklärt und bezieht eindeutig Position: „Der Ausbreitung ihres Konsums sollte mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden. Das gilt insbesondere für Jugendliche sowie alle Nichtraucherinnen und Nichtraucher.“

Helfen E-Zigaretten beim Entwöhnen?

Möglicherweise. „Der Dampf ist weniger schädlich als Rauch, trotzdem bekommen die Raucher weiterhin Nikotin, und sie haben weiterhin den Habitus des Inhalierens“, sagt Schaller. Manche Raucher würden dann nach und nach den Nikotingehalt reduzieren, um schließlich ganz nikotinfrei zu rauchen. „Ob das tatsächlich ein gutes Hilfsmittel ist, ist nicht nachgewiesen. Zur Entwöhnung werden E-Zigaretten deshalb auch nicht empfohlen.“

Was bedeutet die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs?

Am Montag hat der Bundesgerichtshof E-Zigaretten mit nikotinhaltigen Liquids als Tabakprodukte eingestuft – auch wenn sie keinen Tabak enthalten. Nach geltendem Gesetz ist es unter anderem verboten, „Tabakerzeugnisse, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, in den Verkehr zu bringen“. Beides trifft auf E-Zigaretten nicht zu und macht damit den Verkauf der nikotinhaltigen Liquids sowie der Einweg-E-Zigaretten mit nikotinhaltigem Inhalt vorerst illegal. Davon sind derzeit etwa 5500 Verkaufsstellen bundesweit betroffen. „Man muss deutlich nach dem Sinn der Veröffentlichung fragen. Wir glauben an die Vernunft der Behörden, dass nun keine Kurzschlusshandlungen zur Behinderung des Handels erfolgen“, sagt Drögemüller. Auch Gesundheitsexpertin Schaller hält den Zeitpunkt der Entscheidung für „unglücklich“. Einen Sieg für die Kritiker sieht sie nicht: „In drei Monaten wird der Verkauf mit neuen Auflagen wieder erlaubt sein.“ Aber immerhin erstmals mit klaren Regeln.