Houston. Forscher werten Aussagen aus. Selbsteinschätzung ist zuverlässiger, wenn die Befragung früh erfolgt

In vielen Strafprozessen sind die Angaben von Augenzeugen ein entscheidendes Indiz, von dem eine Verurteilung oder ein Freispruch der Angeklagten abhängt. Die US-Organisation Innocence Project untersuchte kürzlich 333 Schuldsprüche seit 1989, die durch DNA-Analysen widerlegt wurden. Mehr als 70 Prozent dieser Justizirrtümer beruhten auf falschen Angaben von Augenzeugen, betonen die Psychologen um John Wixted von der University of California in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.

Sein Team wertete nun Aussagen von 717 Augenzeugen tatsächlicher Raubdelikte aus, bei denen die Polizei von Houston ermittelte. Die Zeugen sollten auf einer Skala angeben, wie sicher sie sich ihrer Angaben waren: sehr sicher, mäßig sicher oder wenig sicher. Wichtigstes Resultat: Die anfängliche Selbsteinschätzung der Zeugen erwies sich im Nachhinein als zuverlässig. „Beim Zeitpunkt der ersten Einschätzung können Augenzeugen uns verlässliche Informationen über ihre Zuverlässigkeit geben”, so Wixted.

Oft werden Zeugen erst Jahre später gefragt, wie sicher sie sich sind

Diese Erkenntnis ist keinesfalls selbstverständlich: Oft werden Augenzeugen erst vor Gericht gefragt, wie sicher sie sich sind – meist Monate oder gar Jahre nach dem Vorfall. In diesem Zeitraum kann aus einer unsicheren Annahme Gewissheit geworden sein, die Unschuldigen mitunter zum Verhängnis wird. „Es ist wohlbekannt, dass das Gedächtnis formbar ist, sodass eine anfänglich unsichere Identifizierung bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Zeuge vor Gericht oder in Anhörungen vor dem Prozess aussagt, zur Gewissheit wird“, schreiben die Autoren. Dies müsse man unbedingt berücksichtigen. „Wenn man eine geringe Zuversicht anfänglich ignoriert, macht man einen großen Fehler“, sagt der Psychologe Wixted. Außerdem sei bei der Identifizierung von Verdächtigen das gleichzeitige Vorlegen von Fotos vermutlich etwas besser als eine Aufeinanderfolge von Bildern. Wünschenswert wäre ferner, dass der Ermittler, der die Fotos vorlegt, nicht weiß, welche der Personen der Tatverdächtige ist.