Paris/London. Die tiefen Furchen galten bislang als Beleg für fließendes Wasser auf dem roten Planeten

Die auffälligen Abflussrinnen an manchen Berghängen auf dem Mars müssen nicht unbedingt von fließendem Wasser stammen. Stattdessen könnten sie von verdampfendem Trockeneis geformt worden sein, wie Cedric Pilorget und François Forget vom französischen Forschungszentrum CNRS im britischen Fachblatt „Nature Geoscience“ berichten. Trockeneis ist gefrorenes Kohlendioxid, das den Hauptbestandteil der Marsatmosphäre bildet.

An Berghängen in den mittleren Breiten des Roten Planeten haben Raumsonden zahlreiche Strukturen entdeckt, die Abflussrinnen an irdischen Hängen gleichen. Allerdings seien Tausende Kubikmeter Wasser nötig, um derartige Rinnen zu formen, betont Colin Dundas von der US-Geologie-Behörde, dem U. S. Geological Survey, in einem Begleitkommentar in „Nature Geoscience“. Die Marsrinnen sind mit einem Alter von höchstens einer Million Jahren jedoch geologisch sehr jung. Das Marsklima in dieser Zeit war durchgehend zu kalt, um solche großen Mengen flüssigen Wassers zu erlauben. Die Entstehung der Rinnen ist daher ein Rätsel.

Szenario: Marsluft gefriert und legt sich als Trockeneis auf den Boden

Pilorget und Forget schlagen nun ein alternatives Entstehungsszenario vor: Mars durchläuft ähnliche Jahreszeiten wie die Erde. Wenn es auf dem Roten Planeten kälter wird, gefriert Kohlendioxid aus der Marsluft und legt sich als Trockeneis auf den Boden. Teils forme es dabei dicke, durchsichtige Platten. Sobald die Temperaturen wieder steigen, lässt die Sonne das Trockeneis verdampfen, die Forscher nennen diesen Vorgang Sublimation – das Eis wird dabei direkt gasförmig, ohne eine flüssige Phase zu durchlaufen.

Unter den Trockeneisplatten kann sich im porösen, mit gefrorenem Kohlendioxid gefüllten Boden ein erheblicher Druck aufbauen. Der Druck könne schließlich für eine Destabilisierung des Bodens sorgen, sodass dieser schließlich zu fließen beginne. Auf diese Weise könnten die Rinnen auch ohne Wasser entstanden sein, argumentieren die Forscher.

Tatsächlich lasse sich das Szenario auch durch Simulationsrechnungen stützen. Zwar gebe es auch einige Rinnen an Orten auf dem Mars, an denen das Trockeneismodell eher unwahrscheinlich sei, erläutert Dundas. Das schließe dieses Szenario jedoch nicht aus. Die Untersuchung der Marsrinnen zeige jedenfalls eindrücklich, dass dieselben Landformen von unterschiedlichen Prozessen gebildet werden könnten.