Hamburg/Kiel. Mit Schnee in Hamburg ist vorerst nicht zu rechnen. Aber den gibt es zur Weihnachtszeit ohnehin seltener als gedacht.

Man kann dem Wetter entweder mit der richtigen Kleidung begegnen – oder mit Ironie: Soll also der Weihnachtsmann doch einfach Räder unter seinen Rentierschlitten schrauben, denn auf Kufen wird es in diesem Jahr wohl nichts mit der pünktlichen Auslieferung der Geschenke, zumindest nicht in unseren mitteleuropäischen Breitengraden. Mit Schneefall in den kommenden Tagen und Wochen sollte bis Mitte Januar jedenfalls niemand rechnen. Dafür spricht auch der Vier-Wochen-Trend – die am weitesten vorausschauende Vorhersage, die von den Wetterwissenschaftlern gerade noch als seriös angesehen wird.

„Ja, der Dezember 2015 ist mild, viel zu mild“, sagt Rüdiger Hartwig vom Seewetteramt in Hamburg. Das liege an der zurzeit stabilen Großwetterlage: „Zwischen atlantischen Tiefdruckgebieten im Westen und einem Hoch im Nordosten führt eine Südwestströmung aus dem Nordatlantik warme Luft zu uns. Das Wasser dort hat eine Temperatur von 20 bis 25 Grad, und die Luft, die uns hier erreicht, ist immer noch rund zehn Grad warm.“ Normalerweise betrage der Temperaturmittelwert im Dezember etwa drei Grad.

Derzeit jedoch – basierend auf den Werten, die bis zum 17. Dezember gemessen wurden – sei es durchschnittlich fünfeinhalb Grad wärmer. „Aber von einer Rekordtemperatur können wir noch nicht reden“, sagt der Meteorologe, „es kann nämlich sein, dass noch mal ein kurzer Kaltlufteinbruch durchkommt. Bisher war der Dezember 2006 mit sechseinhalb Grad über dem sonst üblichen Mittelwert der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 150 Jahren.“

Also keine weiße Weihnacht. Kein Lichterblitzen auf verschneiten Tannenspitzen, dafür jede Menge lange Gesichter in einigen Bereichen der Wirtschaft: „Auch wenn es prinzipiell schon seit vielen Jahren kein eigentliches Weihnachtsgeschäft mehr im stationären Modehandel gibt, ist das Geschäft in diesem Jahr richtiggehend lustlos“, sagt der Modeabteilungsleiter eines großen Kaufhauses an der Hamburger Mönckebergstraße dem Abendblatt.

Seine inoffizielle Aussage wird durch die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“ bestätigt: Nach dem Footfall-Index, der die aktuelle Frequenzentwicklung im deutschen Einzelhandel nach unterschiedlichsten Genres und Sortimenten misst, „waren weniger Menschen als vor einem Jahr unterwegs. Das relativ milde Wetter ließ zudem keine Gedanken an Mäntel und warme Jacken aufkommen.“ Dagegen laufe bereits die neue Frühjahrsmode vielversprechend an; vermutlich der Grund dafür, dass die Branche zurzeit ein Umsatzplus von vier Prozent verzeichnet.

Viele Skigebiete mussten den Saisonstart verschieben

Richtig ärgerlich dagegen sind die (Fast-)Rekordtemperaturen für den Glühweinumsatz auf Weihnachtsmärkten – und könnte es für die geschätzten 150.000 Hamburger werden, die sich schon lange aufs weihnachtliche Skivergnügen gefreut haben. Denn viele Skigebiete mussten den Saisonstart bis jetzt verschieben. In den deutschen Mittelgebirgen sind die Schneehöhen weniger als mau und selbst in den Hochlagen wie auf der Zugspitze liegen gerade einmal 80 Zentimeter Schnee.

Auf der anderen Seite ist es jedoch auch immer wieder erstaunlich, dass die Menschen, die abseits der Gipfellagen der Mittel- und Hochgebirge leben, jedes Jahr auf kaltes Winterwetter – und damit auf Schnee – hoffen. Noch erstaunlicher ist, dass viele behaupten, „früher seien es wenigstens noch ordentliche Winter gewesen“. Aber diese Ansicht ist nur „gefühlt“: So zeigt die Wetterstatistik des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation (das auch den täglichen Wetterbericht des Abendblatts erstellt) deutlich, „dass weiße Weihnachten in unseren Breiten tatsächlich recht selten vorkommen, nämlich nur alle drei bis vier Jahre.“ Im Referenzzeitraum von 1961 bis 1990 habe an zehn Weihnachten entweder am 24., 25. und oder am 26. Dezember Schnee gelegen. Im Zeitraum 1986 bis 2015 seien es nur acht weiße Weihnachten von 30 möglichen gewesen.

Der Trend geht also leicht zurück, und die bange Frage, die so mancher sich jetzt vermutlich stellt, könnte lauten: „Sind das bereits die Vorboten der Klimaerwärmung?“

Dr. Andras Villwock vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel kann diese Sorge verstehen. „Ein solch warmer Dezember wie dieser passt gut ins Bild. Aber es handelt sich nicht um Vorboten, weil die Temperaturen schon in den vergangenen 100 Jahren angestiegen sind.“ Er wolle keine Prognose wagen, wie der Winter 2015/2016 später zu betrachten sei. „Am Ende des Tages interessiert mich die globale Zahl der Temperatur – was auf unserer gesamten Erde los ist. Es wird immer mal wieder einen kälteren Winter geben – irgendwo balanciert sich das dann schon aus.“