new york. Der Dürre-Atlas der Alten Welt bietet auf Basis von Ringanalysen einen Blick in die Vergangenheit

Die große europäische Hungersnot von 1315 bis 1317 und andere wetterbedingte historische Ereignisse finden ihren Niederschlag auch in Baumringen: Der neue Dürre-Atlas der Alten Welt bietet auf Basis solcher Baumringanalysen nun einen einzigartigen Rückblick in die Klimageschichte Europas, des Mittleren Ostens und Nordafrikas seit dem Mittelalter.

„Das Material bestätigt historische Beschreibungen von schwerer Dürre und Nässe mit einer räumlichen Lückenlosigkeit, die es zuvor nicht gab“, schreiben Forscher um Edward R. Cook von der Columbia State University (New York) im Fachjournal „Science Advances“. Der Atlas bezog jedoch nur sommerliche Dürren und Extremniederschläge ein. Demnach bestätigen die Jahr für Jahr ausgewerteten Baumringe auch Berichte über die großen Dürren von 1540, 1616, 1893 und 1921 in verschiedenen Teilen Europas. Für den „Großen Hunger“, der von 1315 bis 1317 viele Millionen Menschenleben forderte, waren anhaltende Regenfälle und Überschwemmungen verantwortlich, die Missernten verursachten und Vorräte vernichteten: Auch für diese extreme Nässe liefert der Atlas viel Material.

„Die Arbeiten von Cook und Kollegen sind sehr wertvoll und wichtig. Allerdings erlauben die Rekonstruktionen nur Rückschlüsse auf Sommerfeuchte- und Trockenbedingungen“, erläutert Professor Jürg Luterbacher von der Universität Gießen. „Zusätzlich sind sie mit Unsicherheiten behaftet, besonders in Regionen wie dem Mittelmeerraum, wo die Bäume eher ein Feuchtesignal für Spätwinter und Frühling liefern, und in Nordeuropa und der Alpenregion, wo Bäume eher auf Sommertemperaturen reagieren.“

Seit 2004 waren bereits Dürre-Atlanten für Nordamerika und Teile Asiens entstanden. Cook und Kollegen verglichen nun die verschiedenen Rückblicke. Generell gebe es wenig Übereinstimmung in Länge, Stärke und Zeitabschnitt von trockenen und feuchten Phasen in den vergangenen 1000 Jahren, schreiben sie. Allerdings stimmten während der Mittelalterlichen Klimaanomalie – einer Warmphase zwischen 1000 und 1200 – sowie der „Kleinen Eiszeit“ (1550–1750) einige Dürren in Europa, Asien und Nordamerika in Länge und Stärke überein. Dürren in der Nördlichen Hemisphäre vor dem 20. Jahrhundert scheinen schlimmer und langanhaltender gewesen zu sein – ohne dass sie die Gründe dafür verstehen würden, so die Forscher.

Derzeit sagen Klimaprognosen für den Mittelmeerraum in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Trockenheit voraus – hervorgerufen vor allem durch den hohen Ausstoß von Klimagasen. Die Dürre-Atlanten sollen nun helfen, diese Prognosen auch in längere Klimalinien einzubetten, hoffen die Forscher.