Ithaca/Oulu. Neue Erbgutanalyse verortet Ursprünge des domestizierten Vierbeiners in der Mongolei. Experten sind skeptisch.

Die Menschen in Zentralasien kamen einer Studie zufolge zuerst auf den Hund. Das schließt ein Forscherteam aus der Erbgutanalyse von mehr als 5000 Hunden aus 38 Ländern. Als Ursprungsregion vermuten die Wissenschaftler um Laura Shannon von der Cornell University in Ithaca (US-Staat New York) ein Gebiet zwischen dem heutigen Nepal und der Mongolei, wie sie in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) berichten. Ein unabhängiger Experte lobt die überaus aufwendige Studie, bewertet die Schlussfolgerungen der Autoren aber mit Skepsis.

Um dem Ursprung der ersten Haushunde (Canis lupus familiaris) auf die Spur zu kommen, untersuchte das Team das Erbgut von über 4500 Hunden von 161 Rassen sowie von rund 550 sogenannten Dorfhunden (village dogs). Im Gegensatz zu den reinrassigen Tieren – weltweit gibt es fast 400 Hunderassen – und den daraus entstandenen Mischlingen leben Dorfhunde in ländlichen Regionen der Welt. Gerade in entlegenen Gebieten waren sie über die Jahrtausende weniger dem Einfluss späterer Züchtungen ausgesetzt und bewahrten so eine große genetische Vielfalt. Diese Vielfalt werten viele Forscher als Hinweis auf eine engere Verwandtschaft zu den frühen Hunden.

Die höchste genetische Vielfalt stellten die Wissenschaftler bei Dorfhunden in der Umgebung Zentralasiens fest, insbesondere in Ostasien, Indien und Südwestasien. Allerdings waren bei Dorfhunden aus Zentralasien genetische Merkmale, die auf den Chromosomen eigentlich eng beieinander liegen, am ehesten voneinander getrennt. Weil benachbarte genetische Regionen mit hoher Wahrscheinlichkeit gekoppelt vererbt werden, spricht dieses sogenannte Kopplungsungleichgewicht (Linkage disequilibirum; LD) für eine besonders weit zurückreichende Geschichte dieser Tiere. Als weiteres Indiz für einen Ursprung des Hundes in Zentralasien werten die Forscher, dass dort auch der Eurasische Wolf (Canis lupus lupus) lebte. Dieser ist nach übereinstimmender Expertenmeinung der Urahn des Haushundes.

Zum zahmen Begleiter des Menschen entwickelte sich der Wolf, so vermuten die Wissenschaftler, vor mindestens 15.000 Jahren, als sich die damaligen Jäger und Sammler in der Region ausbreiteten. Beide Arten jagten größere Säugetiere. Je dichter die Besiedlung wurde und je mehr der Mensch seine Jagdtechniken verfeinerte, desto weniger Beute sei für Wölfe übrig geblieben, spekulieren die Forscher. Durch Klimaveränderungen sei die Nahrung der Räuber wahrscheinlich weiter geschrumpft. Beides zusammen trug demnach dazu bei, dass Wölfe zunehmend die Nähe des Menschen suchten. Dabei setzten sich dann kleinere und zahmere Tiere durch, glauben die Wissenschaftler.

Der Evolutionsgenetiker Olaf Thalmann von der finnischen Universität Oulu spricht von einer „tollen Studie mit beeindruckenden Daten und guten Analysen”. Allerdings sei die Interpretation der Autoren zwar legitim, die Daten ließen jedoch auch andere Rückschlüsse zu. Dass Hunde in Asien eine hohe Vielfalt aufweisen, überrascht den Forscher nicht. „Asien und insbesondere China sind seit langem bekannt für ihren Handel”, sagt er. Die Dorfhunde könnten solchen Handelsrouten seit alters her gefolgt oder als Handelsware mitgenommen worden sein. Dies allein könne schon eine ausgeprägte Diversität erklären.

Bei Hunden sei die genetische Bandbreite ohnehin kein Indiz für Ursprünglichkeit, betont Thalmann. „Hunde unterliegen schon seit Jahrtausenden nicht mehr der natürlichen Selektion”, erläutert er. Immer wieder seien etwa Wölfe gezielt eingekreuzt worden. „Über den Ursprung der Hunde wissen wir wenig”, sagt der Forscher. Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, hält Thalmann es für erfolgversprechender, möglichst alte Funde zu analysieren.

„Es ist toll, dass diese Studie erschienen ist”, betont er dennoch. „Damit bereiten die Autoren den Weg für eine weitere Diskussion. Auf die Frage, wo der Hund herkommt, gibt es noch keine eindeutige Antwort.”

Der Ursprung des Haushundes war in der Vergangenheit immer wieder diskutiert worden. Eine 2009 veröffentlichte Genstudie vermutete ihn wegen der hohen genetischen Vielfalt in China. Eine Untersuchung von Thalmann anhand älterer Funde aus dem Jahr 2013 deutete dagegen darauf hin, dass europäische Jäger und Sammler als erste Menschen den Hund als Haustier hielten.

Im Laufe der Jahrtausende haben sich die Vierbeiner so gut auf den Menschen eingestellt, dass sie mittlerweile sogar Bestandteile der menschlichen Sprache ziemlich gut verstehen, wie Forscher vor einem Jahr im Fachblatt „Current Biology” schrieben. Auch an den – eigentlich artuntypischen – Augenkontakt haben sich die Tiere mittlerweile gewöhnt.

Sowohl beim Menschen als auch beim Hund kann Blickkontakt das Bindungshormon Oxytocin freisetzen, berichteten japanische Wissenschaftler dieses Jahr in „Science”.