Hamburg. Klimaforscher gehen davon aus, dass 2015 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen wird. Tagung in Hamburg beschäftigt sich mit den Folgen der Erderwärmung

Der Trend zur Erderwärmung hält an. Führende Wetter- und Klimaforscher in Deutschland gehen davon aus, dass 2015 das wärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen vor 135 Jahren werden könnte. 2014 sei bisher in Deutschland das wärmste Jahr gewesen, sagte die Vorsitzende der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG), Gudrun Rosenhagen, am Montag bei der 10. Deutschen Klimatagung in Hamburg. „Und dieses Jahr ist bis jetzt auf dem besten Wege, diese Zahlen noch zu toppen.“

Global wie in Deutschland fielen sieben der wärmsten bislang gemessenen Jahre auf das 21. Jahrhundert, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft zum Klimawandel. Bis einschließlich August wich dieses Jahr nach Angaben des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation global bislang um 0,81 Grad vom langjährigen Mittel ab und wäre damit das wärmste Jahr seit 1880.

Mit dem Klimawandel einher gehe „ganz sicher“ eine Erhöhung des mittleren Meeresspiegels, sagte der Leiter des Instituts für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht, Prof. Hans von Storch. Insofern lägen die Hamburger richtig, wenn sie in Klima-Umfragen stets die Furcht vor Sturmfluten an erster Stelle nennen.

Der Hitzesommer 2015 hat auch den Gletschern überall in den Hochalpen stark zugesetzt. Nach zwei relativ kühlen, gletscherfreundlichen Jahren seien die Abschmelzraten in diesem Jahr wieder extrem, sagte Andrea Fischer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit Blick auf die vorläufige Bilanz der Abtauperiode 2015. „Der Massenverlust kommt in die Nähe des Rekordjahres 2003.“

In der Schweiz, auf deren Gebiet die weltberühmten Eisströme des Rhone- und Aletschgletschers liegen, deutet sich ein ähnlicher Trend an. Andreas Bauder, Glaziologe an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich meint, dass die Rekordwerte vom Jahrtausendsommer 2003 wohl nicht ganz erreicht würden. Doch vor allem kleinere Gletscher bis unter 3000 Metern Seehöhe seien „komplett ausgeapert“, das heißt, sie haben ihre Altschneeschicht verloren und sind der Sonne ungeschützt ausgesetzt.

Auch in Österreich haben die Gletscherexperten ein großes Schmelzen registriert: Auf dem Dachstein ist das Eis durchschnittlich um drei Meter dünner geworden, ein Meter mehr als im bisherigen Rekordsommer 2011, so Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne). Die Gletscherzungen seien von tiefen Spalten durchsetzt, durch die man „bis zu zehn Meter auf den Untergrund“ schauen könne, sagt Klaus Reingruber von „Bluesky Wetteranalysen“ aus Attnang-Puchheim in Oberösterreich. Um die aktuellen Stände zu messen, werden im Frühjahr an 17 Stellen mit Dampfbohrern zwei Meter lange Messlatten im Eis verankert. Sind sie herausgeschmolzen, muss ein neues Loch gebohrt werden. „Dieses Jahr mussten wir an manchen Stellen zweimal nachbohren“, sagt Reingruber. So rapide taute das oft Jahrhunderte alte Eis.

Allein der Hallstätter Gletscher hat seit seinem historischen Höchststand von 1850 schon fast die Hälfte seiner Masse eingebüßt. Extrem war der Massenverlust auch am Jamtalferner in der Silvretta, der bei einzelnen Messstellen mehr als vier Meter betragen habe, berichten Forscher. Die Gletscherzunge des Äußeren Mullwitzkees auf der Südseite der Venedigergruppe schmolz um knapp fünfeinhalb Meter ab.

Zweifellos werde sich der Sommer 2015 in die Jahre mit extremen Verlusten einreihen, sagt Fischer. Dazu zählt auch das Jahr 1947, das als „Katastrophenjahr für die Gletscher“ bezeichnet wurde und als Jahrhundertereignis galt. „Schon jetzt kann man feststellen: Die oft geäußerte Meinung von Experten, dass sich extreme Jahre häufen könnten, ist bestätigt worden.“

Die ersten Schneefälle Anfang September haben der Leidenszeit der Eisriesen vorläufig ein Ende gesetzt. Doch die Gletscher seien weit entfernt von einem Gleichgewichtszustand, der sie zumindest in ganz hohen Regionen stabilisieren könnte. „Es ist kein Ende des Gletscherschwundes abzusehen“, sagt Fischer.

Bei der bis Donnerstag in Hamburg laufenden Klimatagung beraten rund 250 Wetterkundler und Klimaforscher unter anderem über die wirtschaftliche und soziale Dimension des Klimawandels. Daneben stehen Fragen der Grundlagenforschung, aber auch der anwendungsorientierten und technisch orientierten Wissenschaften auf der Tagesordnung. Die Deutsche Klimatagung wurde 1989 ins Leben gerufen, damals noch mit dem Ziel, den Austausch zwischen Klimaforschern aus Ost- und Westdeutschland zu fördern.