berlin. Weil Frauen in der Schwangerschaft trinken, kommen 2000 Kinder schwerbehindert zur Welt

Etwa 2000 Kinder kommen jedes Jahr mit massiven Behinderungen zur Welt, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben. Dies erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), am Dienstag in Berlin. Nach Angaben der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gehen einige Fachleute sogar von 4000 Kindern aus, die mit dem Fetalen Alkohol Syndrom (FASD), also dem Höchstmaß an Behinderung wegen Alkohol, zur Welt kommen. Weitere 10.000 Babys werden Schätzungen zufolge jährlich mit Teilstörungen geboren. 500.000 bis 600.000 Erwachsene sollen heute in Deutschland mit FASD leben.

Allen Warnungen zum Trotz halten immer noch 18 Prozent der Bundesbürger ein gelegentliches Gläschen Sekt oder Bier während der Schwangerschaft für vertretbar. Das geht aus einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Privaten Krankenversicherung (PKV) hervor. Erfreulich sei, dass der Anteil der 18- bis 24-Jährigen mit nur vier Prozent relativ gering sei. „Schon kleine Mengen können das Kind im Mutterleib schädigen, schon ein einziger Rausch kann seine Gesundheit schwer gefährden“, sagte dazu PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach.

Jedes zweite betroffene Kind später selbst suchtgefährdet

Ein Baby brauche ungefähr zehnmal länger als die Mutter, um den Alkohol abzubauen. Dieser gelange ungefiltert über den Mutterkuchen in den Blutkreislauf des Ungeborenen, so die Vorsitzende des Vereins FASD Deutschland, Gisela Michalowski. Besonders groß sind die Folgen des Alkoholkonsums während der ersten drei Schwangerschaftsmonate, weil in dieser Zeit Organe und Gehirn besonders intensiv entwickelt werden.

Michalowski zufolge ist jedes zweite betroffene Baby später selbst suchtgefährdet. Außerdem kämen die Kinder häufig zu klein und zu leicht auf die Welt. Möglich seien auch Erkrankungen der Organe wie Niere oder Herz. Zudem zeigen sich später geistige Behinderungen. Im Gesicht kann es zu Auffälligkeiten wie einer schmalen Oberlippe oder kurzen Lidspalten kommen. „FASD ist die einzige Behinderung eines Kindes, die zu 100 Prozent vermieden werden kann“, so Michalowski. Experten raten Schwangeren, auf alle alkoholhaltigen Produkte zu verzichten. Das gilt auch für Schnaps-Pralinen, ein Dessert mit Schuss oder alkoholfreies Bier, das meist noch einen Rest Alkohol enthält.

Die Drogenbeauftragte Mortler und die FASD Deutschland fordern deutlich mehr Aufklärung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Selbst Fachärzte wie Gynäkologen oder Kinderärzte seien wenig sensibilisiert für das Thema. Damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass Symptome nicht erkannt werden. Oft würden betroffene Menschen deshalb falsch behandelt. Mortler sprach sich für weitere Präventionskampagnen und deutlich sichtbare Warnhinweise auf allen alkoholischen Getränken aus. Der „Tag des alkoholgeschädigten Kindes“ soll zur Aufklärung beitragen.