Hamburger Forscherin modellierte die großflächige Energiegewinnung mit 9000 Rotoren in der deutschen Nordsee

Das Prinzip ist alt wie die Windmühle: Weht der Wind stark genug, drehen sich die Flügel und wandeln die Energie der bewegten Luft in mechanische Energie um. Moderne Windkraftanlagen erzeugen daraus elektrischen Strom. Derzeit sind es mehr als acht Prozent im Energiemix Deutschlands, Tendenz steigend.

Großes Potenzial bieten dabei Windkraftanlagen auf dem Meer. Hier weht der Wind beständiger und stärker als an Land. Deshalb können die sogenannten Offshore-Parks mehr und gleichmäßiger Strom erzeugen. Doch die riesigen Rotoren bremsen die Luftströmungen über dem Meer. Könnte sich dies auf das Klima an den Küsten auswirken? Ob es einen solchen regionalen Einfluss gibt, ist bislang kaum erforscht.

Deshalb habe ich für das Jahr 2050 ein Szenario mit 9000 Windkraftanlagen in der Deutschen Bucht simuliert. Das wäre ein echter Offshore-Gigant, der mit einer Anlagenleistung von 90 Gigawatt etwa 90 Millionen Haushalte mit Strom versorgen könnte – ein rein fiktives Beispiel. Uns Meteorologen erlaubt das aber eine aussagekräftige Einschätzung der potenziellen Auswirkungen großflächiger Offshore-Parks. Denn in anderen Ländern entstehen bereits jetzt riesige Anlagen. China baut derzeit einen Offshore-Windpark mit einer Leistung von 20 Gigawatt. Die USA planen einen Park mit mehr als 50 Gigawatt.

Mit einem Computermodell habe ich berechnet, wie sich im Sommer die Bewegung der Rotoren auf die Temperatur und das Windfeld auswirkt. Unser Transport- und Strömungsmodell der Atmosphäre METRAS beruht auf physikalischen Gleichungen, die dreidimensional gelöst werden. So konnte ich unter anderem Werte für Wind, Temperatur und Feuchte ermitteln.

Das Ergebnis: Die intensive Nutzung der Windenergie in der Deutschen Bucht würde dazu führen, dass die sommerliche Temperatur an der deutschen Nordseeküste und in Schleswig Holstein um etwa 0,3 Grad sinkt – sowohl am Tag als auch in der Nacht. Tagsüber würde sich sogar das 100 Kilometer entfernte Hamburg um 0,1 Grad abkühlen. Doch wie entsteht dieser Effekt?

Hierbei spielt der Wärmeaustausch zwischen Meer und Atmosphäre die entscheidende Rolle. Betrachtet man die Tages- und Nachttemperaturen zusammen, so ist die Nordsee im Sommer im Durchschnitt wärmer als die Luft. Mithilfe des Windes erwärmt das Meer die Luft leicht. Drehen sich nun die riesigen Rotoren, so drosseln sie die Windgeschwindigkeit und reduzieren damit den Wärmeaustausch zwischen Wasser und Luft. Im Bereich des Windparks wird die Luft deshalb etwas kühler. Der Westwind transportiert nun diese kühlere Luft nach Schleswig Holstein und Hamburg.

Große Windparks haben aber noch einen zweiten Effekt. Wenn die Rotoren dem Wind Energie entziehen und die Luftströmung verringern, wird der fehlende Wind auf Höhe der Rotoren aus den umgebenden Luftschichten aufgefüllt. Dadurch verändern die Windräder das Windfeld auch in weiterer Entfernung. Doch beide Effekte sind umkehrbar. Meine Simulation zeigt, dass der Einfluss auf Temperatur und Windfeld nach Abschalten der Windkraftanlagen innerhalb einiger Stunden verschwindet.