Cambridge.

Das Erdbeben von Nepal hat das Risiko für eine schwerere Katastrophe im Westen des Landes erhöht. Nach einer Analyse der unterirdischen Prozesse warnt ein internationales Forscherteam in der Zeitschrift „Nature Geoscience“, die Spannung an der Bruchkante habe sich vom Zentrum der Erdstöße aus nach Osten entladen. Westlich davon habe sich der Druck jedoch eher erhöht.

Bei dem sogenannten Gorkha-Beben, kamen am 25. April mehr als 8000 Menschen ums Leben. Das Erdbeben der Stärke 7,8 begann 80 Kilometer westnordwestlich der Hauptstadt Kathmandu in einer Tiefe von 15 Kilometern. Die gesamte Region ist geologisch äußerst aktiv: In der sogenannten Himalaja-Hauptüberschiebung drückt sich die Indische Kontinentalplatte mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei Zentimetern pro Jahr nach Norden unter die Eurasische Platte. Da beide Platten ineinander verhakt sind, können sich über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte aufgebaute Spannungen schlagartig entladen.

Bei dem Beben hob sich die Eurasische Platte binnen sechs Sekunden um etwa zwei Meter. Vom Zentrum aus breitete sich der Bruch entlang der Himalaja-Hauptüberschiebung 45 Sekunden lang mit knapp drei Kilometern pro Sekunde rund 140 Kilometer nach Osten aus. Er reichte bis zu jener Stelle rund 75 Kilometer östlich von Kathmandu, wo am 12. Mai ein starkes Nachbeben der Stärke 7,2 auftrat.

Damit habe sich der Druck in der Region nur östlich von Kathmandu entladen. Ein weiteres Starkbeben sei dort in naher Zukunft unwahrscheinlich. Doch westlich des Zentrums habe sich auf einer Strecke von fast 800 Kilometern die Spannung seit über 500 Jahren nicht mehr in einem Starkbeben entladen. „Die Himalaya-Hauptüberschiebung ist dort klar ineinander verkeilt, und das Gleitdefizit könnte mehr als zehn Meter betragen”, mahnen die Autoren. „Das letzte Großbeben dort trat 1505 auf und könnte die Stärke von 8,5 überschritten haben.“

Die Warnung ist für Prof. Frederik Tilmann vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam berechtigt. „Das Gorkha-Erdbeben hat die Wahrscheinlichkeit für ein großes Beben erhöht“, sagt er.