Portsmouth. 113 Millionen Jahre altes Fossil belegt, dass Vorfahren dieser Reptilien an Land lebten

Eine hervorragend erhaltene Urschlange mit vier Beinen gibt Aufschluss über Entstehung und Lebensweise dieser Reptilien. Das in Brasilien gefundene Tier, das vor etwa 113 Millionen Jahren lebte, nutzte die kleinen Beinchen vermutlich nicht zum Laufen, sondern zum Greifen von Beutetieren, zum Festklammern am Partner bei der Paarung und eventuell zum Graben. Das berichten Forscher aus Großbritannien und Deutschland im Fachblatt „Science“.

Tetrapodophis (übersetzt: Vierbeinschlange) amplectus schlängelte sich vermutlich am Boden, trug typische Fangzähne und konnte dank ihres flexiblen Kiefers größere Wirbeltiere verschlingen. Die im Museum Solnhofen (Bayern) ausgestellte Schlange war 20 Zentimeter lang und wohl noch ein Jungtier. Ausgewachsene Exemplare waren vermutlich 50 bis 100 Zentimeter lang, sagt Co-Autor Helmut Tischlinger aus Stammham bei Ingolstadt. Das Fossil war im Nordosten Brasiliens entdeckt worden. Jahrzehntelang wurde es in einer deutschen Fossiliensammlung aufbewahrt. Seine Bedeutung erkannten die Forscher erst jetzt, bei einer neuerlichen Untersuchung.

Heute gibt es mehr als 3000 Arten von Schlangen, die sehr unterschiedliche Lebensräume bewohnen. Sie können im Wasser schwimmen, im Boden wühlen, klettern, kriechen und sogar durch die Luft gleiten. Die Abstammung der Reptilien ist umstritten. Einige Experten nehmen an, dass die Vorfahren im Wasser lebten, andere vermuten, dass Schlangen aus Lebewesen hervorgingen, die sich an eine grabende Lebensweise an Land angepasst hatten. Das Team um David Martill von der englischen Universität von Portsmouth liefert nun Belege für zweite These.

Die Urzeit-Schlange zeigt bereits viele Merkmale heutiger Schlangen, etwa eine kurze Schnauze, einen länglichen Schädel oder Schuppen. Sie sei „von geradezu unglaublicher fossiler Erhaltungsqualität”, sagt Tischlinger. „Man erkennt jedes Detail der Knochenbeschaffenheit, dazu noch die für Schlangen typischen Bauchschuppen und sogar den Mageninhalt mit den Knochenresten eines gefressenen kleinen Wirbeltiers.“

Der auffälligste Unterschied zu heutigen Schlangen sind die vier kurzen Beinen mit jeweils fünf Zehen. Der Bau der Wirbelsäule lasse vermuten, dass sich die Urschlange bereits kriechend bewegte. Ihre Gliedmaßen habe sie vielleicht zum Graben genutzt. Die Form der Zehen deute darauf hin, dass sie vor allem zum Greifen dienten – von Beutetieren und Paarungspartnern. „Wann genau die Schlangen ihre Beine verloren, wissen wir nicht. Aus der Zeit vor etwa 100 Millionen Jahren kennen wir Schlangenfossilien, die keine Vorderbeine, aber noch sehr kleine Hinterbeine besaßen“, sagt Co-Autor Nick Longrich von der britischen Universität von Bath.