Hamburg. Nach vier Jahren steht das Projekt psychenet, das die Versorgung bei psychischen Erkrankungen verbessern soll, vor dem Abschluss.

Psychische Erkrankungen haben sich zu einem Volksleiden entwickelt. Jeder Dritte ist mittlerweile davon betroffen. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein in der Bevölkerung für diese Erkrankungen zu fördern – und damit eine Entstigmatisierung dieser Erkrankungen. Das ist eines der wichtigsten Ziele des Hamburger Verbundprojekts psychenet, das vor vier Jahren an den Start gegangen ist. Jetzt steht das Projekt vor dem Abschluss und stellt auf einem zweitägigen Symposium, das am Montag in Hamburg begonnen hat, die Ergebnisse aus der Arbeit in seinen elf Teilprojekten vor.

1. Aufklärung und Bildung: In einer vierjährigen Medienkampagne wurde die Bevölkerung mithilfe von Filmen, Broschüren, und Plakaten über psychische Krankheiten informiert. Außerdem wurde eine Fortbildung für wichtige Bezugspersonen, Gesundheitsberater und professionelle Helfer in Hamburg angeboten.

2. Interaktives Internetportal: Das Portal www.psychenet.de stellt Infomaterialien, Selbsthilfeprogramme und Symptom-Checklisten für psychische Erkrankungen bereit sowie Adressen von Behandlungsangeboten.

3. Psychische Gesundheit in Betrieben: Es sollten Konzepte zur Prävention von psychischen Erkrankungen in Unternehmen entwickelt werden, mit Beratung von Beschäftigten und einem Entwicklungsprogramm für Führungskräfte.

4. Selbstmanagementförderung in der hausärztlichen Praxis: Um Patienten den Umgang mit ihrer Krankheit zu erleichtern, arbeiteten geschulte Pflegekräfte mit den Hausärzten zusammen, die die Patienten berieten.

5. Selbsthilfe und Peer-Beratung: In psychiatrischen Kliniken wurde die Beratung von Patienten durch geschulte Betroffene (Peer-Berater) eingeführt. Für Angehörige gab es ein Coaching durch geschulte Angehörige.

6. Gesundheitsnetz Psychose: Die Früherkennung der Erkrankung sollte durch die Gründung eines speziellen Netzwerks verbessert werden. Durch Spezialisierung eines bereits bestehenden Versorgungsmodells sollte die Frühbehandlung verbessert werden.

7. Gesundheitsnetz Depression: Ziel war es, in einem Stufenmodell sechs Behandlungsmöglichkeiten unterschiedlicher Intensität für depressive Patienten in Hamburg umzusetzen und wissenschaftlich zu untersuchen. Dafür wurde ein Netzwerk von Hausärzten, Fachärzten, Psychotherapeuten und stationären Einrichtungen geschaffen.

8. Gesundheitsnetz Somatoforme Störungen: Ziel war, Patienten, die an körperlichen Symptomen leiden, für die keine körperlichen Ursachen gefunden werden, schnell in eine wirksame Therapie zu vermitteln. Dafür wurde ebenfalls ein Netzwerk gegründet.

9. Gesundheitsnetz Magersucht und Bulimie: Im Mittelpunkt stand die Aufklärung und die frühe Erkennung und Behandlung dieser Essstörungen. Dazu sollte unter anderem an Schulen über Essstörungen aufgeklärt werden. Vorhandene Versorgungsstrukturen sollten stärker vernetzt werden.

10. Gesundheitsnetz Alkohol im Jugendalter: Ziel war es, bei Jugendlichen Alkoholvergiftungen vorzubeugen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Das sollte durch spezielle Gespräche über die Hintergründe der Alkoholvergiftung erreicht werden.

11. Methodenberatung und Evaluation: Die Teilprojekte wurden regelmäßig statistisch beraten und bei der Auswertung ihrer Daten begleitet.

Der wissenschaftliche Leiter von psychenet, Prof. Martin Härter vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), stellte am Montag eine Kurzauswertung der Projekte vor. Danach waren die Teilprojekte zum Interaktiven Internetportal, zum Selbstmanagement in der Praxis, zur Peer-Arbeit und zu den Gesundheitsnetzen Psychose und Depressionen erfolgreich. Beim Teilprojekt zur Aufklärung war die Kampagne gut bekannt, aber im Vergleich zwischen Hamburg und München gab es keinen signifikanten Unterschied bezüglich des Wissens und der Destigmatisierung. Beim Teilprojekt zur Betrieblichen Gesundheit gab es eine geringe Akzeptanz der Studie bei Unternehmen. Beim Gesundheitsnetz Somatoforme Störungen konnte zwar eine erfolgreiche Vermittlung in Psychotherapie festgestellt werden, aber keine Reduktion der Inanspruchnahme wegen körperlicher Beschwerden. Beim Gesundheitsnetz Magersucht und Bulimie wurde das Wissen gesteigert, aber das Risiko für eine Essstörung wurde nicht verändert und die Dauer bis zur ersten Therapie nicht verkürzt. Beim Gesundheitsnetz Alkohol im Jugendalter gab es laut Teilprojektleiter Prof. Rainer Thomasius vom UKE in der Gruppe, mit der spezielle Gespräche geführt wurden, und in der Kontrollgruppe, die ein Beratungsgespräch erhalten hatte, positive Effekte. Deshalb waren bei Trinkexzessen und durchschnittlicher Anzahl von Getränken keine Unterschiede zu beobachten.

Nun muss entschieden werden, was von psychenet ins Versorgungssystem übernommen wird. „Sinnvolle und zielführende Ansätze sollen auch nach Abschluss des Projektes nicht enden, sondern ihre Spuren im bereits bestehenden Versorgungssystem hinterlassen. Wir werden gemeinsam mit den Akteuren entscheiden, wie wir diese Ergebnisse weiter nutzen können“, sagte Elke Badde, Staatsrätin in der Hamburger Gesundheitsbehörde.