Hamburg . Unterhaltsam ist er ja, der jüngste Film der „Jurassic Park“-Serie. Am Stand der Forschung orientieren sich die Macher nur bedingt.

Es war ein Start, der alle Überwartungen übertraf: Rund 512 Millionen Dollar (etwa 455 Millionen Euro) hat der Blockbuster „Jurassic World“ am ersten Wochenende in den Kinos weltweit eingespielt – so viel wie kein Film zuvor. Der vierte Teil der Dino-Reihe überholt damit den bisherigen Rekordhalter „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“ von 2011, der in seinen ersten Tagen 483 Millionen Dollar umsetzte.

Dass Tyrannosaurus Rex & Co. auch 22 Jahre nach dem ersten Teil „Jurassic Park“ noch das Zeug zum Kassenschlager haben, dürfte nicht nur an den spektakulären Spezialeffekten liegen, mit denen die Echsen in Szene gesetzt werden, sondern auch an einem neuen Protagonisten, der größer, schneller, lauter und bösartiger ist als alle anderen: Indominus Rex (etwa: der Unbezwingbare). Gegen diesen Überjäger, der genetische Eigenschaften der größten Raubsaurier vereint, wirkt selbst der T. Rex wie eine zahme Eidechse. Im wahren Leben hat der Indominus Rex allerdings nie existiert.

Viele Dinosaurier hatten wahrscheinlich Federn

„Die wissenschaftliche Korrektheit bei der Jurassic-Reihe hat seit dem ersten Teil immer mehr abgenommen“, sagt Dinosaurierforscher Oliver Wings. „Es geht den Machern in erster Linie darum, möglichst beeindruckende Monsterfilme zu machen – das allerdings gelingt ihnen ziemlich gut.“ Wings arbeitet für das Landesmuseum Hannover, er erforscht unter anderem das Jurazeitalter in Norddeutschland. Am nördlichen Rand des Harz gräbt er mit seinem Team nach Überresten des Europasauriers, einer relativ kleinen, Pflanzen fressenden Dinoart, und nach Fossilien von Raubsauriern.

Der Paläontologe findet, dass sich die Jurassic-Macher um Produzent Steven Spielberg durchaus mehr am Stand der Forschung orientieren könnten. Ein Beispiel: Als 1993 „Jurassic Park“ in die Kinos kam, sprach noch wenig dafür, dass Dinosaurier ein Federkleid trugen. Doch seit 1996 haben Forscher in Sedimenten in der ostchinesischen Provinz Liaoning etliche Fossilien von kleinen gefiederten Dinosauriern entdeckt.

Im Jahr 2012 stießen Wissenschaftler in Liaoning auf Fossilien eines frühen Verwandten des T. Rex, der acht Meter lang war und wohl fast eineinhalb Tonnen wog. Der Körper dieser auf den Namen Yutyrannus Huali (Mandarin-Chinesisch für „schöner Federtyrann“) getauften Echse war mit mehr als 15 Zentimeter langen, fadenartigen Federn bedeckt, wie gut erhaltene Überreste an drei Skeletten belegten. Die Entdeckung zeige, dass es auch große Raubsaurier mit einem Federkleid gegeben habe, berichteten die Forscher im Fachjournal „Nature“.

Bei kleinen Sauriern dienten Federn wahrscheinlich als Wärmeschutz, bei großen Räubern wie dem Yutyrannus waren die Federn eher für die Balz bedeutsam, vermuten Forscher.

Auch der Velociraptor, jener Räuber mit Sichelklauen, der insbesondere in den ersten beiden Jurassic-Filmen für Angst und Schrecken sorgt, hatte womöglich ein Federkleid. Zwar wurden bisher keine Velociraptor-Fossilien entdeckt, an denen sich Spuren von Federn finden. Allerdings könnte dies schlichtweg daran liegen, dass diese Federn selten konserviert wurden. Dazu waren unter anderem feinkörnige Sedimente nötig, die keinen Sauerstoff durchließen, wie Oliver Wings erläutert. Bei etlichen anderen Saurierarten, die wie die Velociraptoren zur Familie der Dromeosauridae gezählt werden, sind Federn nachgewiesen worden, etwa beim Archaeopteryx, der eine Übergangsform zwischen Dinosauriern und Vögeln darstellt.

In den Jurassic-Filmen fanden die Erkenntnisse zu Federn keinen Niederschlag. Ja, die Wissenschaft habe die Filme überholt, gab kürzlich der wissenschaftliche Berater der Jurassic-Reihe, Jack Horner, im Interview mit „Nature“ zu. „Aber wir können das Aussehen der Dinosaurier nicht einfach ändern. Wenn die Raptoren plötzlich Federn hätten, würde das die Beständigkeit zerstören“, sagte der Paläontologe von der Montana State University. Falsch dargestellt ist wohl auch die Größe der Raptoren: In den Filmen sind sie mannsgroß. Fossilien deuten jedoch darauf hin, dass Velociraptoren kleiner und eher filigran gebaut waren.

Wahrscheinlich ist auch, dass es in der Welt der Dinos weniger kämpferisch und brutal zuging, als die Jurassic-Reihe es nahelegt. Die Stacheln und Schilde einiger Arten waren zu dünn und schwach, um damit zu kämpfen, sondern wohl ähnlich wie die Federn für die Balz gedacht. Einige Saurier hätten womöglich „getanzt“ wie Vögel, sagt Jack Horner. „Ich habe einmal ein Drehbuch für einen Film geschrieben, in dem Wissenschaftler aus einer Zeitmaschine steigen und Triceratops sehen, die tanzen und ihre bunten Schilde zeigen“, erzählte Horner im Interview mit „Nature“. „Aber diesen Film hätte sich niemand angeschaut.“

An etlichen Stellen, betont Horner, habe er allerdings dafür gesorgt, Fehler auszumerzen – zum Beispiel, dass der T. Rex beim Laufen seine Füße nicht zuerst mit den Fersen aufsetzt wie Menschen, sondern mit seinen Zehengliedern wie Vögel. Im jüngsten Film stellte Horner zudem sicher, dass bei den jungen Triceratops das Horn nach hinten gebogen ist – im Gegensatz zu den erwachsenen Tieren, deren Horn nach vorn zeigt.

US-Forscher will Vögel mit Dino-Merkmalen züchten

Horner mag vieles korrigiert haben – dort, wo wissenschaftliche Korrektheit die Handlung weniger spektakulär gemacht hätte, haben sich allerdings auch beim jüngsten Film offenbar die Macher um Spielberg und Regisseur Colin Trevorrow durchgesetzt. So gibt es Szenen, in denen sich Flugsaurier auf in Panik davonlaufende Parkbesucher stürzen, diese wie eine Tüte Chips packen und davontragen. Zwar habe es Flugsaurier mit einer Flügelspannweite von bis zu acht Metern gegeben, sagt Oliver Wings. Allerdings hätten sie wohl mit ihren Schnäbeln das Wasser nach Fischen durchpflügt. „Dass ihre Arme und Klauen kräftig genug waren, um einen Menschen locker davonzutragen, ist sehr unwahrscheinlich.“

Unwahrscheinlich ist es auch, dass es jemals gelingen wird, T. Rex und Co. zu klonen, wie es die Forscher in den Jurassic-Filmen tun. Denn Erbgut aus dem Zeitalter der Dinos (der T. Rex lebte vor 65 Millionen Jahren) hat sich nicht erhalten. „Möglicherweise gelingt es irgendwann, ein Mammut zu klonen“, sagt Wings. Denn diese Tiere starben erst vor 4000 Jahren aus. 2008 entschlüsselten Forscher 70 Prozent des Genoms eines Wollhaarmammuts.

Jack Horner geht mit seinem Team einen anderen Weg: Er sucht nach Möglichkeiten, Vögel zurück zu züchten, sie also gentechnisch so zu verändern, dass sie Dinomerkmale wie einen verknöcherten Schwanz und Zähne ausbilden. Das hält auch Oliver Wings für einen vielversprechenden Ansatz. „Anhand solcher Tiere könnte man überprüfen, ob einige Annahmen über Dinosaurier zutreffend sind.“

Wings sieht die Jurassic-Reihe mit gemischten Gefühlen. „Unsere Wissenschaft ist durch die Filme zwar populärer geworden, aber das hat leider nicht dazu geführt, dass mehr Geld in die Forschung geflossen ist“, sagt er. Eine Ausnahme sei die Jurassic Foundation in den USA. Sie habe Teile der Einnahmen aus einer Ausstellung über die Jurassic-Filme erhalten. Die Stiftung unterstützt Forscher mit Stipendien – auch Wings hat davon schon profitiert. „Wir erforschen vergangene Lebenswelten und ergründen dabei auch, wie sich Ökosysteme entwickelt haben. Unsere Arbeit hilft also zu prognostizieren, was mit dem Leben auf der Erde geschehen wird“, sagt Wings. „Es wäre schön, wenn das nicht nur im Kino ein große Rolle spielte.“