Pasadena. Neuerung: Chip greift Information im Gehirn dort ab, wo Entscheidung gefällt wird

Nur Kraft seiner Gedanken kann ein Querschnittsgelähmter fließend einen Roboterarm bewegen, damit Hände schütteln, ein Glas zum Mund führen und sogar „Schere, Stein, Papier“ spielen. US-Forscher stellen im Fachjournal „Science“ ein verbessertes Verfahren für Neuroprothesen vor. Der Fortschritt besteht darin, dass die Informationen zur Steuerung der Bewegung an einer früheren Stelle des Signalwegs im Gehirn „ausgelesen“ werden.

Wissenschaftler um Richard Andersen vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena hatten dem damals 32 Jahre alten Erik Sorto im April 2013 zwei Silikon-Chips in ein bestimmtes Hirnareal eingepflanzt. Die jeweils 96 Mikroelektroden zeichnen die Aktivität einzelner Nervenzellen auf. Die Chips sind per Kabel mit einem Rechner verbunden, der einen künstlichen Arm steuert oder einen Computercursor bewegt.

Während der folgenden 21 Monate baten die Forscher Sorto, der seit zwölf Jahren vom Hals abwärts gelähmt ist, immer wieder, sich bestimmte Aktivitäten vorzustellen – etwa ein Glas zum Mund zu führen. Gleichzeitig zeichneten sie die Aktivität der Nervenzellen in dem Areal auf. Schließlich konnten sie allein aus dieser Aktivität die Absicht des Mannes erkennen.

Den Roboterarm zu steuern, lernte Sorto den Forschern zufolge binnen eines Tages – dies sei „rein intuitiv“ geschehen. „Ich war überrascht, wie einfach das ging“, erinnert er sich. Videos dokumentieren seine überbordende Freude, als er zum ersten Mal seit seinem Unfall ohne fremde Hilfe trinken konnte. „Ich wollte herumrennen und alle abklatschen.“

Auch andere Neuroprothesen arbeiten mit implantierten Chips. Aber diese sitzen an einer anderen Stelle im Gehirn: im motorischen Kortex. Er ist für die unmittelbare Steuerung der Bewegung zuständig. Weil dort viele verschiedene Muskeln koordiniert werden, braucht er detaillierte Informationen. Das macht diese Neuroprothesen langsam und die Bewegungen ruckelig.

Bei Sorto wurden die Chips dagegen im posterioren parietalen Kortex (PPC) eingesetzt. Dort fällt die Entscheidung, eine Bewegung auszuführen. Das Verfahren setzt damit an einem früheren Zeitpunkt auf dem Weg zwischen Beschluss und Ausführung an. „Wir haben es geschafft, die ursprüngliche Absicht zu entschlüsseln“, sagt Studienleiter Andersen.

Nach Einschätzung zweier Wissenschaftler aus Großbritannien und Kanada haben die Ergebnisse „eine bedeutende praktische Auswirkung“ für Gelähmte. Allerdings sei es noch ein weiter Weg, ehe solche Neuroprothesen in der medizinischen Praxis eingesetzt werden könnten.