Hamburg . Mehr als 211.000 Menschen folgen Raumfahrer Alexander Gerst auf Twitter. In Hamburg wollen 1500 ihn live von seiner Mission im All reden hören.

Um seine jüngsten Fans kümmerte sich Alexander Gerst am Freitag zuerst. Während die Presse vor verschlossener Tür wartete, sprach der Astronaut mit den Mitgliedern des „Relli Space Club“, einer Gruppe Sieben- bis Zwölfjähriger von der Grundschule Rellinger Straße in Eimsbüttel. Die Kleinen hatten sich 2013 neben vielen anderen um eine Live-Schaltung zur Internationalen Raumstation ISS beworben – vergeblich.

An ihrer Faszination für das Weltall änderte die Absage aber nichts. In einer AG widmeten die Schüler sich der Raumfahrt und der Klimaforschung, und sie bauten aus recyceltem Montageschaum das europäische Columbus-Modul nach, in dem Gerst während seines Aufenthalts im All 2014 arbeitete.

Am Freitag durften die Schüler ihr Idol am Deutschen Klimarechenzentrum an der Bundesstraße treffen. Sie dankten es ihm mit einer aus Pappe gebastelten Weltkugel, auf die sie ein silbernes Modell der ISS gesteckt hatten. „Ein tolles Geschenk“, sagte Gerst gerührt. Dann stellte er sich mit den Schülern dem Blitzlicht der Fotografen. „Ihr könnt euch schon mal daran gewöhnen. Wenn ihr Astronauten werdet, geht das eine Weile so.“

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211.000 folgen Gerst auf Twitter

Gerst war der elfte Deutsche im All. Auf der ISS betreute er 166 Tage lang wissenschaftliche Experimente und stieg zu Montagearbeiten in den Kosmos aus. Mit seinen Fotos von Städten, Landschaften und Wetterphänomenen begeisterte er im Internet Zehntausende. Heute, fünf Monate nach seiner Rückkehr zur Erde, ist die Popularität des 39-Jährigen ungebrochen. Auf Twitter folgen @Astro_Alex rund 211.000 Menschen.

Auch in Hamburg wirkt er wie ein Magnet: Nach seinem Treffen mit den Grundschülern machte Gerst sich auf den Weg zum Audimax, dem größten Hörsaal der Universität. Dort warteten schon fast 1500 Zuschauer, um die Präsentation seiner ISS-Mission zu sehen.

In Hamburg zu sein, sei „wie nach Hause zu kommen“, sagte Gerst. „Die Stadt ist für mich ein ganz besonderer Ort. Ich habe viele Freunde hier.“ Nach seinem Studienabschluss in Karlsruhe hatte Gerst am Institut für Geophysik der Uni Hamburg promoviert. „Ich konnte hier am besten zwei meiner Leidenschaften – Vulkane und die Antarktis – verbinden“, erzählte er. So erklärt es sich, dass seine Doktorarbeit von der Eruptionsdynamik des antarktischen Vulkans Mount Erebus handelt.

In der ISS schaut Alexander Gerst durch die Fenster einer Kuppel auf die Erde
In der ISS schaut Alexander Gerst durch die Fenster einer Kuppel auf die Erde © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance /

Doch nicht nur die Geowissenschaften faszinierten ihn schon lange, sondern auch der Weltraum. Und so versuchte Gerst 2009 noch vor dem Abschluss seiner Doktorarbeit sein Glück bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Mehr als 8400 Menschen hatten sich zu dieser Zeit für die Astronautenausbildung beworben. Gerst setzte sich als einziger Deutscher zusammen mit fünf weiteren Kandidaten durch. Als ihn die SMS der ESA erreichte, dass er den ersten Teil des Auswahlverfahrens bestanden habe, befand sich Gerst gerade mit seinem Doktorvater Matthias Hort auf einer Forschungsexpedition in der Südsee.

Der Professor geriet am Freitag ins Schwärmen, als er über Gerst sprach. „Es gibt nur wenige, die so viele verschiedene Dinge gut können: konstruieren, messen, auswerten, ein Modell erstellen – das Gesamtpaket, das Alex bot, war einfach irre.“

„Es lohnt sich zu träumen“

Der so Gelobte revanchierte sich mit einem ganz besonderen Geschenk an das Institut. Ihm sei dort vermittelt worden, „dass es sich lohnt, zu träumen“, sagte Gerst und überreichte seinem Doktorvater das blaue Missionsemblem, das ihn auf seiner Reise ins All begleitet hatte.

Die beiden hatten seit Gersts Abschied von der Uni Kontakt gehalten. An Bord der ISS trug Gerst sogar zu einem aktuellen Forschungsprojekt seiner früheren Kollegen bei. Mit einer Digitalkamera fotografierte er vom All aus verschiedenen Blickwinkeln die Eruption eines Vulkans auf der Halbinsel Kamschatka im ostasiatischen Teil Russlands. Die Bilder schickte er per E-Mail an das Institut in Hamburg.

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Dort hatte der Geophysiker Klemen Zakšek die Idee gehabt, dass sich mithilfe von Satellitendaten recht genau erfassen lassen sollte, in welcher Höhe sich Aschewolken nach einem Vulkanausbruch befinden. Die Höhe entscheidet darüber, in welche Richtung sie treiben. Wie wichtig eine solche Vorhersage ist, machte spätestens 2010 der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island deutlich, dessen Rauchwolken den Flugverkehr in weiten Teilen Europas behinderten.

Die durch eine Vulkaneruption erzeugten Aschewolken werfen Schatten auf die Erde. Fotografiert man dies aus dem All, so der Ansatz von Klemen Zakšek, sollte sich aus der Relation zwischen dem Beobachtungswinkel und dem Schattenwurf die Höhe der Aschewolke berechnen lassen. Prinzipiell können bestimmte jüngere Satelliten solche Aufnahmen machen, allerdings müssten sie dies in kürzerer Folge tun als bisher. Gerst machte von der ISS aus mehrere Aufnahmen in kurzen Abständen – und half damit seinen Kollegen auf der Erde, zu zeigen, dass der Ansatz funktionieren könnte.

Einsatz für Natur- und Klimaschutz

Bei seinem Besuch am Freitag betonte Gerst immer wieder, wie wichtig die Satelliten im All und die Forschung auf der ISS für die Menschheit seien. Noch einmal das Beispiel Vulkane: Ausbrüche beträfen ja nicht nur den Flugverkehr, sagte Gerst. „Mehr als zehn Prozent der Menschheit leben in der Nähe von Vulkanen. Die Grundlagenforschung, die wir jetzt betreiben, könnte zu Warnsystemen führen, die diesen Menschen helfen.“

Seit seinem ISS-Aufenthalt setzt Gerst sich vehement für den Natur- und Klimaschutz ein. Der meist eloquente, charmant-witzige Mann kommt ins Stocken, wenn er von seinen Eindrücken im All erzählt. „Ich wusste natürlich, dass unsere Erde empfindlich ist. Aber wie zerbrechlich sie wirken würde, darauf war ich nicht vorbereitet.“ Dass der Regenwald zerstört werde, auch das sei ihm natürlich vorher klar gewesen. „Aber wenn man dann diese riesigen gerodeten Bereiche sieht – das verändert einen.“

Einerseits würde er gern sofort wieder ins All fliegen, sagte Gerst. Andererseits fühle er sich der Erde so verbunden wie nie zuvor.