Cambridge. Ein muskelbetriebenes Ventil reguliert Chemikalienzufuhrin Explosionskammer

Fühlen sich Bombardierkäfer bedroht, feuern sie in kurzer Pulsfolge ein heißes, stinkendes Gasgemisch aus ihrem Hinterleib. Was dabei im Inneren der Käfer passiert, haben US-Forscher untersucht: Das Abfeuern des Sprühnebels wird durch ein blitzschnelles Zusammenziehen und Entspannen einer Membran innerhalb des Explosionsapparates reguliert.

Das System besteht aus zwei Drüsen, die die Chemikalien Wasserstoffperoxid und Hydrochinon bilden. Diese werden in einer Sammelkammer gelagert. Will der Käfer feuern, werden die Chemikalien in die sich anschließende Explosionskammer gegeben, wo sie mit den Enzymen Peroxidase und Katalase reagieren. Es entstehen p-Benzochinone, Sauerstoff, Wasserdampf und Hitze. Das bis zu 100 Grad Celsius heiße Gemisch schießen die Käfer dem Angreifer entgegen. Mit einer Reihe spezieller optischer, mikroskopischer und bildgebender Verfahren konnten die Forscher vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (US-Staat Massachusetts) nun direkt ins Innere eines Bombardierkäfers schauen und die Abläufe genauer untersuchen.

Sie fanden, dass zwischen der Sammel- und der Reaktionskammer ein Ventil liegt, das den Einlass der Chemikalien regelt. Die Muskulatur um die Sammelkammer und die Muskeln am Ventil sind während des Feuer-Vorgangs angespannt. Das Ventil wird dadurch offen gehalten. Gleichzeitig wird in der Sammelkammer ein Druck erzeugt, sodass die Chemikalien tröpfchenweise in die Reaktionskammer gegeben werden.

Dort gibt es durch den Kontakt mit den Enzymen eine Explosion. Der entstandene Druck dehnt eine sogenannte Expansionsmembran an der Reaktionskammer aus, woraufhin sich das Ventil schließt und die Chemikalienzufuhr unterbrochen wird. Gleichzeitig schießt das Gas nach außen. Der Druck nimmt ab, die Membran zieht sich zusammen. Das Ventil öffnet sich, und ein neuer Chemikalientropfen fällt in die Reaktionskammer. Erst allmählich erschlaffen die Muskeln an der Sammelkammer und am Ventil, die Reaktionskette wird unterbrochen.

Weltweit gibt es etwa 500 Arten von Bombardierkäfern. Sie alle verteidigen sich mit Gasgeschossen, einige schießen nicht gepulst, sondern mit einem kontinuierlichen Gasstrahl. Die Käfer können ganz gezielt feuern – sogar um die Ecke. Ihre Schusstechnik könnte bei der Entwicklung neuer Antriebe helfen, so die Forscher. Raumfahrtingenieure entwickeln bereits nach dem Käfervorbild in einem EU-Projekt neue Antriebe für Satelliten. Beteiligt ist unter anderem das Bremer Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation.

Konventionelle Antriebe brauchen normalerweise einen hohen Druck, der den Treibstoff in die Brennkammern befördert. Das neue System soll – wie beim Käfer – ein Pulsantrieb sein: Treibstoff fließt mit relativ niedrigem Druck in eine Explosionskammer. Dort steigt der Druck, und es wird Schub für einen kurzen Moment erzeugt. Sobald der Druck wieder niedrig ist, fließt Treibstoff nach.