Berlin. Wie kann man Lebensmittel frei von Schädlingen halten? Wissenschaftler tüfteln an einem besseren Vorratsschutz.

Es passiert jedem bestimmt einmal im Leben: Man öffnet eine Packung Pralinen, und als erstes fallen einem die fetten weißen Larven auf, die langsam über die Schokolade kriechen. Prompt wird einem schlecht. Der Appetit ist wie weggeblasen, und der Kopf schwirrt: Wie sind die Tiere in meine Schokolade gekommen? In welchen Ecken und Winkeln meiner Küche krabbeln sie noch?

Bis einem das geschilderte Szenario passiert, beschäftigt man sich eigentlich nie mit der Frage, wer dafür zuständig ist, uns kriechendes Ungeheuer in Nahrungsmitteln vom Hals zu halten. Ein Team von Wissenschaftlern des Julius Kühn-Instituts (JKI) in Berlin erforscht seit Jahren die vielen Facetten des sogenannten Vorratsschutzes. Cornel Adler und seine Kollegen untersuchen umweltfreundliche Methoden, die Vorratsschädlinge von gelagerten Nahrungsmitteln fernhalten sollen.

Solche Schädlinge, das können Tiere oder Mikroorganismen sein, befallen und zerstören geerntete Pflanzenprodukte. Adler sagt, dass es vor allem im Getreide eine Vielzahl vorratsschädlicher Insekten gibt – etwa den Kornkäfer, den Reiskäfer oder aber auch die Larven der Dörrobstmotte. „Für den Kreislauf der Natur ist es natürlich sinnvoll, dass prinzipiell jedes trockene Pflanzenerzeugnis von bestimmten Insekten abgebaut werden kann“, so Adler. Nur im eigenen Müsli zu Hause würde man das gerne ausschalten können.

In Deutschland werden jährlich gut 45 Millionen Tonnen Getreide geerntet, vergangenes Jahr waren es sogar mehr als 52 Millionen Tonnen. Dieses wird in großen Silos und Lagerhallen aufbewahrt, bevor es verfüttert, exportiert oder zur Weiterverarbeitung an Mühlen, Brauereien oder andere Lebensmittelhersteller verteilt wird. Bei diesen Massen ist es kein Wunder, dass auch andere Lebewesen von der Nahrung profitieren wollen.

Einige auf dem Getreide wachsenden Pilze erzeugen schädliche Gifte

Doch die Tierchen fressen das Getreide nicht nur, durch ihre Atmungs- und Fraßprozesse wird das gelagerte Getreide warm und feucht. Ein Paradies für das Schimmelpilzwachstum. Das Problem daran: Einige der auf dem Getreide wachsenden Pilzformen können für den Menschen schädliche Gifte, genannt Mykotoxine, erzeugen. Beim Transport kann durch Vermischung eine winzige Menge Mykotoxin-infizierter Getreidekörner große Teile des Getreides untauglich machen.

„Man kann davon ausgehen, dass nach dem Mähen und Dreschen keine Schädlinge im Getreide sind, da für die Tiere im Mähdrescher keine Überlebenschance besteht“, sagt Adler. Erst bei der Lagerung komme es dazu, dass Insekten einwanderten. Warum aber baut man diese nicht so, dass keine Schädlinge eindringen können? Das Problem liegt an dem geringen Handelswert, den Getreide in den vergangenen 50 Jahren hatte. Da es sich nicht sonderlich rentierte, wurde nicht in gute Lagerungstechniken investiert. In den Räumen gibt es also viele Ritzen und Fugen, in denen sich Getreidereste ansammeln. Dort fühlen sich die Insekten wohl. „Werden diese Getreidereste nicht herausgesaugt, wirkt eine Ritze oder Fuge wie ein Mini-Komposthaufen: Über die Jahre sammelt sich das Getreide an. Die Insekten haben dort die Möglichkeit, von einer Ernte zur nächsten überzugehen“. Das heißt: Schon frisches Getreide vom Feld kann auch ohne Insektenzuflug im Lager befallen werden.

Eine neue, gerade in einem Projekt erprobte Vorratsschutzmethode ist eine Lagerung, bei der Insekten gar nicht erst an das Getreide herankom­men. Der Trend geht in Richtung einer kühlen, trockenen und luftdichten Verwahrung, die hermetische Lagerung genannt wird. Trotzdem wird üblicherweise der Großteil des Getreides in Silos und Lagerhallen untergebracht, die eher zugig gebaut sind. „Dadurch kann die Zugluft Wärme und Feuchtigkeit aus dem Getreide abführen. Das wussten schon unsere Urgroßväter“, sagt Adler. Durch Mauerwerksritzen, Öffnungen zwischen Wand und Dach oder Lücken in Toren und Türen in den herkömmlichen Lagern verlassen durch die Abluft auch Duftstoffe das Lager, die die Schadinsekten anziehen und nach denen sie sich orientieren. Diese gezielte Einwanderung nach Geruchsspuren wurde bisher nicht bedacht.

Aus Sicht der Schädlingsvermeidung wäre es ideal, wenn das Getreide auf einen Wassergehalt von unter neun Prozent getrocknet würde. Dann wird das Korn so hart, dass es Tiere nicht anfressen können. Sehr trockenes Korn wird jedoch schnell brüchig. Da das Getreide außerdem nach Gewicht verkauft wird, bevorzugen Lagerhalter einen nach EU-Standard zulässigen Wassergehalt von bis zu 14,5 Prozent.

Um große Massen von Getreide zu schützen, untersuchen die Forscher des JKI verschiedene Facetten des Vorratsschutzes. Bei den sogenannten physikalischen Methoden handelt es sich etwa um Kälte- oder Hitzebehandlungen. Außerdem können bestimmte Schädlinge auch durch das Sieben von Getreide oder Mehl herausgereinigt werden.

Ein Mittel, das gerne zur biotechnischen Bekämpfung verwendet wird, nennt sich Kieselgur. Dabei handelt es sich um ein Pulver aus fossilen Kieselalgen. Manche Kieselgure lösen bei Kontakt die Wachsschicht des Insektenkörpers ab und entziehen dem Insekt Wasser. Das Tier trocknet aus.

Neben der physikalischen und biotechnischen Bekämpfung gibt es auch die biologische – wenn etwa eine Katze auf Mäusejagd geschickt wird. Die Katze wird dann als Nützling bezeichnet. Im Vorratsschutz sind Nützlinge andere Insekten, die dem Vorrat nicht schaden, sondern die Eier oder Larven der Schädlinge angreifen. Bei einem Befall durch die Dörrobstmotte kommen winzige, 0,3 Millimeter kleine Wespen zum Einsatz. Das Wespenweibchen legt ihre Eier in die Eier der Schädlinge. Es können dann keine Schädlingslarven mehr schlüpfen. Nach neun Wochen ist die Plage dann vollkommen beseitigt.