Kiel. Im Fokus ihres Interesses stehen vor allem große Steine. Ihre Entnahme als Baumaterial zerstörte Lebensräume und begünstigte hohe Wellen

Erstmals wollen Forscher die Küstengewässer entlang der Ostsee in Schleswig-Holstein flächendeckend kartieren. Im Zentrum der geologischen Forschung stehen Steinfelder, die sich von der Uferzone bis in rund 15 Metern Wassertiefe erstrecken. „Das ist der Bereich, in dem sich die Wellen brechen“, sagte Projektleiter Klaus Schwarzer von der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie lange diese Lebensräume für Algen, Seepocken und Muscheln nach Stürmen zur Regeneration benötigen.

Bis 1974 wurden entlang der Küste viele dieser ökologisch wichtigen Steinfelder jedoch zerstört. „Die Steine wurden als Baumaterial für den Küstenschutz abgefischt“, sagte Schwarzer. Auf rund 2,5 Millionen schätzt er die Zahl der entnommenen Steine. Dadurch sei einerseits Miesmuscheln und Pflanzen die Siedlungsfläche genommen worden, insgesamt mehr als 5,5 Quadratkilometer an Lebensraum. „Die Stabilität des Meeresbodens wurde ,aufgeweicht’, weil die Steine den darunter liegenden Grund vor Abtragung schützen.“ Andererseits wurde damit das Gegenteil von Küstenschutz erreicht. „Die Folgen eines Sturms sind dadurch größer, weil mehr von dem festen Material gelockert wird.“

In der Folge wird der Meeresboden zunehmend steiler. „Wellen brechen in Abhängigkeit von der Wassertiefe“, sagte Schwarzer. „Je steiler der Meeresboden ist, umso dichter kommen hohe Wellen an die Küste und richten dort mehr Schaden an.“ Neben der Uni sind an dem Forschungsprojekt zur geologischen und biologischen Kartierung des Meeresbodens der Ostsee („Baldesh“) auch das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume beteiligt.

Die Unterwasser-Karten sollen Objekte ab einer Größe von etwa zehn Zentimetern erfassen. Neben einem Seitensichtsonar setzen die Forscher dafür auch einen ferngesteuerten Mini-Tauchroboter ein. Dessen Kamera liefert den Forschern hochauflösende Bilder vom Meeresgrund.

Schleswig-Holsteins Wissenschaftsinstitute rücken im Bereich der Küstenforschung im Netzwerk Küstenforschung insgesamt enger zusammen. Daran beteiligen sich die Kieler Universität, das Alfred-Wegener-Institut (AWI) mit seinen Standorten auf Helgoland und Sylt, das Zentrum für Material- und Küstenforschung in Geesthacht und Geomar. Insgesamt rund 400 Forscher gehören dem Verbund an.

Um noch mehr über die Küsten zu lernen, wollen die Wissenschaftler noch in diesem Sommer einen Unterwasser-Datenknoten in der Eckernförder Bucht installieren und in das weltgrößte Küstenbeobachtungssystem Cosyna integrieren.