Genf. In der modernisierten Anlage sollen Protonen mit doppelt so viel Energie kollidieren

Der größte Teilchenbeschleuniger der Welt ist nach einer umfassenden Modernisierung seit Ostersonntag wieder in Betrieb. In dem unterirdischen Ringtunnel zwischen Frankreich und der Schweiz sollen Protonen aufeinanderprallen – mit mehr Energie als je zuvor. In den Zerfallsprodukten suchen Forscher nach bislang unentdeckten Bausteinen unseres Universums. Den Neustart des Large Hadron Colliders (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum (Cern) verfolgten Forscher und Physikbegeisterte in einem Live-Blog im Internet.

„Alles hat hervorragend geklappt“, sagte Cern-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer, 66, in der Nähe von Genf. Zuvor hatte um 10.41 Uhr der erste und um 12.27 Uhr der zweite Teilchenstrahl den 27 Kilometer langen LHC-Ring passiert. „Das Herz des Cern schlägt jetzt wieder im Rhythmus des LHC“, sagte der Stuttgarter Physiker. Die Modernisierungsarbeiten der „Weltmaschine“ dauerten über zwei Jahre.

Die Strahlen aus Protonen sollen mit der erstmals möglichen Kollisionsenergie von 13 Teraelektronenvolt (TeV) fast doppelt so heftig wie bisher aufeinanderprallen. Doch bis dies geschieht, wird es noch etwa zwei Monate dauern. Am Sonntag ging es im Ringtunnel noch mit der vergleichsweise bescheidenen 450 Gigaelektronenvolt los, gut drei Prozent des Zielwertes.

„Das steigern wir schrittweise auf die Höchstleistung“, sagte Heuer. Dann können im weltraumähnlichen Vakuum des LHC weit mehr Teilchenkollisionen herbeigeführt werden als bisher, nämlich bis zu eine Milliarde pro Sekunde. In den Zerfallsprodukten fahnden Experten mithilfe grenzüberschreitender Computersysteme nach völlig unbekannten oder bislang nur theoretisch vorhergesagten Elementarteilchen.

Um die dem Urknall ähnlichen Kollisionen zu ermöglichen, mussten die gewaltigen Elektromagneten des LHC und die rund 10.000 Verbindungen zwischen ihnen auf minus 271 Grad Celsius heruntergekühlt werden.

Vor drei Jahren hätten die Forscher mit dem LHC durch den Nachweis des Higgs-Teilchens, des wichtigsten Bausteins im Standardmodell der Materie, Geschichte geschrieben, sagte Joachim Mnich, der Direktor für Teilchenphysik des Deutschen Elektronen-Synchrotons (Desy). „Der Neustart mit deutlich höherer Energie gibt uns die Chance, in neue, unbekannte Regionen vorzustoßen und neue physikalische Phänomene wie zum Beispiel die dunkle Materie nachzuweisen.“ Das Desy mit Hauptsitz in Hamburg-Bahrenfeld ist mit rund 150 Mitarbeitern an den Experimenten des Cern per Datenleitung beteiligt.

Insgesamt gehören rund 1000 deutsche Forscher zu den weltweit Zehntausenden Wissenschaftlern, die in die Experimente mit der „Weltmaschine“ einbezogen sind. „Alle Teilchenphysiker blicken jetzt mit Spannung nach Genf“, sagte Mnich. Cern-Chef Rolf-Dieter Heuer rät aber zur Geduld: Wann es bahnbrechende Erkenntnisse für eine ganz neue Physik geben werde, sei noch nicht absehbar. „Das kann schnell gehen, aber es kann auch sehr lange dauern, ich bin da sehr vorsichtig.“