Durham. Um Weibchen anzulocken sollen, singen männliche Mäuse besonders kopmplexe Lieder - für den Menschen waren sie bislang nicht zu hören.

Männliche Mäuse benutzen unterschiedliche und erstaunlich komplexe Gesänge, um Weibchen zu bezirzen. Die Fähigkeit der Nager ähnelt dabei der von Singvögeln, auch wenn sie nicht so ausgefeilt ist. Das berichten US-Forscher der Duke University in Durham (US-Staat North Carolina) im Fachblatt „Frontiers of Behavioral Neuroscience“.

Dass Mäuse (Mus musculus) singen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Allerdings sind die Ultraschalltöne für Menschen nicht hörbar. Bereits Jungtiere quietschen nicht nur, sondern rufen singend nach ihrer Mutter. Je älter die Mäuse werden, umso komplexer werden auch ihre „Lieder“, die sie etwa einsetzen, um ihr Territorium zu markieren oder zu balzen. Unklar war bislang, mit welchen Gesängen die Tiere auf welche Situationen reagieren.

Das Team um die Neurobiologen Jonathan Chabout und Erich Jarvis fand nun heraus, dass Männchen besonders laut und komplex singen, wenn sie frischen Urin eines Weibchens riechen, dieses selbst aber nicht sehen. In einem zur Studie veröffentlichten Video ist dieser Gesang, der mit speziellen Mikrofonen aufgenommen wurde, als schnelle Abfolge fiepender Töne hörbar, die sequenzartig den Rhythmus verändern.

Ist das Weibchen dagegen sichtbar, werden die Gesänge der Männchen länger und einfacher. „Wir glauben, dass die komplexeren Gesänge wie Locklieder sind. Sieht das Männchen das Weibchen hingegen, wechselt es zu einfacheren Liedern, um Energie zu sparen und sie so gleichzeitig jagen und umwerben zu können“, so Jarvis in einer Mitteilung seiner Universität.

Erstaunlich fanden die Wissenschaftler zudem, wie sehr sich die Gesänge – eine vermutlich angeborene Fähigkeit – in verschiedenen sozialen Zusammenhängen verändern. Dies hängt etwa davon ab, ob die Mäuse mit betäubten Männchen, betäubten Weibchen, wachen weiblichen Tieren oder eben dem Urin von Artgenossen beiderlei Geschlechts konfrontiert wurden. „Es ist klar, dass die Fähigkeit von Mäusen zu singen, wesentlich beschränkter ist als die von Vögeln oder Menschen, und doch sind die von uns beobachteten Unterschiede in der Komplexität des Gesangs bemerkenswert“, sagt Jarvis.

Die Forscher untersuchten auch, wie die Weibchen auf die gesungene Werbung reagierten: Diese fühlten sich von komplexeren Liedern stärker angezogen als von einfachen Gesängen. Auch bei Vögeln sind jene Männchen am erfolgreichsten, die am komplexesten singen. Die ganz ähnliche Beobachtung in der aktuellen Studie lasse den Schluss zu, dass die verschiedenen Lieder bei Mäusen eine Bedeutung haben, glaubt Jonathan Chabout. Die Wissenschaftler wollen nun herausfinden, welche Rolle unterschiedliche Gene und bestimmte Areale des Hirns für die Gesänge spielen. Unklar ist noch, ob die Mäuse lernen, ihre Gesänge zu verändern oder nur unter verschiedenen fes­ten Mustern wählen.

Schon 2012 waren Biologen der Veterinärmedizinischen Universität Wien den Balzgesängen von Mäusen auf die Spur gekommen. Dabei hatten sie entdeckt, dass weibliche Mäuse in der Lage sind, den Gesang von Geschwistern von denen nicht verwandter Artgenossen zu unterscheiden. Vermutlich vermeiden Mäuse so Inzucht.