Wie sehr der Arbeitsplatzverlust des anderen auf die Stimmung schlägt, hängt auch von der eigenen Lage ab

Nicht jeder liebt seinen Job, aber jeder braucht ihn. Klar, auch des Geldes wegen, aber ein Arbeitsplatz leistet weitaus mehr: Er schafft Struktur und Routine, einen Rahmen, in dem man sich tagtäglich sicher bewegen kann. Der Job erfüllt außerdem wichtige Bedürfnisse, die für ein gesundes Selbstwertgefühl sorgen. So erlebt man, dass die eigenen Fähigkeiten und Talente geschätzt und gebraucht werden, dass man etwas bewirken kann. Fast ebenso wichtig und oft unterschätzt: Ein Arbeitsplatz vermittelt auch dauerhafte verbindliche Beziehungen zu anderen Menschen – das ist immer wichtig, aber ganz besonders dann, wenn sie sonst im Leben eher fehlen. Wer selbstständig arbeitet, der schafft sich diese Strukturen oft nach und nach automatisch, ohne viel darüber nachzudenken.

Weil die Arbeit so wichtig für die Psyche des Menschen ist, beschäftigen sich Wissenschaftler bereits seit einiger Zeit damit, was geschieht, wenn man seine Arbeit plötzlich verliert. Dabei zeigt sich: Auch jene, die dem arbeitslos Gewordenen am nächsten stehen, leiden unter dem Jobverlust des Partners oder Elternteils.

Für den, der seinen Job plötzlich verliert, ist der Einbruch des Selbstwertgefühls nach einer Kündigung besonders auffällig. Je länger die Arbeitslosigkeit dann dauert und je häufiger im Laufe des Arbeitslebens jemand seinen Job verliert, desto ausgeprägter sind die negativen Effekte. Sie reichen von größerer Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, mit der Wohnsituation und dem gewählten Beruf über größeres Stresserleben aufgrund finanzieller Probleme und das Gefühl, dafür verantwortlich zu sein, bis zu vermehrten physischen und psychischen Erkrankungen.

So ist ein geringes Selbstwertgefühl ein großer Risikofaktor für Angsterkrankungen und Depressionen – beide kommen bei jenen, die Arbeitslosigkeit erfahren haben, häufiger vor. Zunächst dachte man, dass dies möglicherweise gar nicht auf den Jobverlust zurückgeht. Experten vermuteten, dass diese Menschen grundsätzlich eher psychisch labil sind, mit beruflichen Herausforderungen überfordert sind oder aus sozialen Schichten kommen, in denen noch andere Risikofaktoren dazu beitragen können, dass sich psychische Erkrankungen entwickeln – eine unsichere Wohnsituation etwa. Wie österreichische Forscher aber zeigen konnten, besteht der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer Anfälligkeit auch dann, wenn man diese Risikofaktoren berücksichtigt.

Eine gerade veröffentlichte Studie zeigt nun noch etwas anderes Beunruhigendes. Wenn Menschen plötzlich ihren Job verlieren, so berichten Psychologen der Universität zu Köln und der Freien Universität Berlin, dann sinkt nicht nur ihre eigene Lebenszufriedenheit, sondern auch die ihrer Partner.Das Forscherteam um die PsychologinMaike Luhmann wertete in der Untersuchung Daten von fast 3000 zusammenlebenden Paaren aus, die über mehrere Jahre hinweg im Rahmen des repräsentativen Sozioökonomischen Panels (SOEP) befragt wurden. Mindestens einer, manchmal aber auch beide befragten Partner hatten irgendwann im Zeitraum der Befragungen wenigstens einmal ihren Job verloren. Wie die Wissenschaftler im „Journal of Personality and Social Psychology“ berichten, sinkt die Lebenszufriedenheit des arbeitslos Gewordenen deutlich – aber auch gleichzeitig die Lebenszufriedenheit des weiterhin arbeitenden Partners. Einen interessanten Effekt gab es, so sagt Maike Luhmann, wenn beim Jobverlust des einen Partners der andere bereits selbst arbeitslos war.

Dann nahm zum einen die Lebenszufriedenheit des Gekündigten weniger stark ab. Und zum anderen gab es auch beim vorher schon arbeitslosen Partner kaum eine Verringerung in der ohnehin schon niedrigen Lebenszufriedenheit. „Wir vermuten, dass dieser Effekt daher kommt, dass die Partner sich als gleichwertig wahrnehmen, wenn beide arbeitslos oder beide in Arbeit sind, weil sie das gleiche Schicksal teilen“, sagt sie.

Sei jedoch einer in Beschäftigung und der andere arbeitslos, schaffe das ein ungünstiges Ungleichgewicht zwischen den Partnern. Diese sogenannte Shared-Fate-Hypothese treffe wahrscheinlich zu, müsse aber noch genauer untersucht werden, so die Psychologin. Trotzdem aber ist dieser Befund recht verwunderlich, weil, wie Luhmann betont, der Effekt auch unabhängig davon gelte, wie brenzlig die finanzielle Situation durch die Arbeitslosigkeit eines Partners oder gar beider wird. Insgesamt aber ist die Unzufriedenheit dann am größten, wenn beide Partner arbeitslos sind, und dann am niedrigsten, wenn beide in einem Arbeitsverhältnis stehen – so wie man es auch erwarten würde. Ganz besonders leiden Paare allerdings unter dem Jobverlust eines Partners, wenn sie Kinder im Haus haben. Verliert ein Elternteil seine Arbeit, dann geht es in diesem Fall mit der Lebenszufriedenheit beider Partner bergab. Und das ist nicht alles.

Wie John P. Haisken-DeNew von der University of Melbourne und Michael Kind von der Ruhr Graduate School in Economics in Essen bereits 2012 zeigen konnten, leiden dann nicht nur die Eltern vermehrt, auch für die Kinder im frühen Erwachsenenalter führt die Arbeitslosigkeit eines Elternteils zu geringerer Lebenszufriedenheit. Insbesondere der Jobverlust des Vaters hatte Auswirkungen auf die Zufriedenheit seines Sohnes oder seiner Söhne. Auch für jüngere Kinder gibt es Studien, die belegen, dass vor allem lange Arbeitslosigkeit von Vater oder Mutter zu einem Risikofaktor für die Entwicklung der Kinder werden kann.

Luhmann und ihre Kollegen sahen sich in ihrer Studie auch an, was geschah, wenn einem Partner nach dem Jobverlust der Sprung zurück ins Arbeitsleben gelang: Die Lebenszufriedenheit stieg deutlich, nicht nur beim Betroffenen, sondern auch beim Partner. Eigentlich ein erfreuliches Ergebnis. Allerdings hatte eine frühere Langzeitstudie von Psychologen der University of Illinois belegt, dass die Lebenszufriedenheit dann meist nicht wieder auf das Niveau zurückkehrt, auf dem sie vor dem Jobverlust war – sondern im Durchschnitt leicht darunter bleibt.

Dasselbe, so fand das Forscherteam um Luhmann heraus, galt, wenn sich direkt an die Arbeitslosigkeit die Verrentung anschloss. Bei den Betroffenen stieg dann ebenfalls die Lebenszufriedenheit, aber nur geringfügig. Zumindest für die Partner aber hatte der Wechsel in die Rente keine negativen Effekte: Ihre Lebenszufriedenheit stieg genauso an, als hätte ihr arbeitsloser Partner einen neuen Job gefunden.