Ein Quartiersprojekt, Empfehlungen für Kliniken, Firmenschulungen – Hamburger Bündnis zieht positive erste Bilanz.

Hamburg. Gemeinsam stärker – dieses Motto gilt seit 2012 in Hamburg für viele Pfleger, Ärzte, ehrenamtliche Helfer und Angehörige, die sich für demenzkranke Menschen einsetzen. Bis dahin waren Aktionsgruppen teilweise auf sich gestellt; seitdem jedoch bündeln sie in der Landesinitiative „Leben mit Demenz“ ihre Kräfte, auf Initiative der Gesundheitsbehörde. Am Donnerstag zogen die Partner bei einer Fachtagung eine erste Bilanz – und präsentierten Maßnahmen, die bereits an einigen Stellen in der Stadt erprobt werden.

„Bitte machen Sie weiter so“, sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) gegenüber den etwa 100 Teilnehmern. Sie freue sich sehr über das große Engagement. „Es hat sich viel getan“, lobte die Senatorin. Demenzkranken Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen, sei allerdings „eine Daueraufgabe“.

In Hamburg leben nach Schätzungen rund 26.000 Menschen mit mittelschwerer oder schwerer Demenz, etwa zwei Drittel davon Zuhause. Bis 2025 könnte sich die Zahl auf 31.000 erhöhen. Dies hat mit dem demografischen Wandel zu tun: Die Menschen werden immer älter – damit erhöht sich das Risiko, an Demenz zu erkranken. Rechnet man Angehörige und Freunde dazu, gehört Demenz in Hamburg für etwa 100.000 Menschen zum Alltag.

Viel gewonnen wäre schon, wenn es in der Bevölkerung weniger Unsicherheiten im Umgang mit Demenzkranken gäbe und weniger Vorurteile, sagte Prof. Susanne Busch von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Sie und ein Team um die Diplom-Pflegewirtin Sandra Eisenberg haben eine Kurzschulung für Unternehmen und Behörden entwickelt, in der es darum geht, wie man auf verwirrte Demenzkranke reagieren sollte und ihnen bei Problemen helfen kann – sei es am Bankschalter, im Supermarkt und anderen Geschäften oder im Bus. „Es ist nicht nötig, ein Demenz-Experte zu werden. Es geht darum, Demenz zu verstehen“, sagte Busch.

22 freiwillige Helfer, 37 Seminare

Bisher haben 22 freiwillige Helfer 37 solcher Seminare durchgeführt. Unter den Teilnehmern waren Apotheken, Pflegeeinrichtungen, eine Berufsschule für Friseure und ein Kirchenkreis. Für 2015 seien bereits weitere zehn Schulungen vereinbart, unter anderem mit einer Restaurantkette, sagte Busch. Dies sei ein großer Erfolg. Das sieht auch Cornelia Prüfer-Storcks so: „Wir würden uns aber freuen, wenn dieses Angebot noch stärker angenommen würde.“ Die Schulungen werden von einer Pflegekraft und einem Angehörigen mit Erfahrung im Umgang mit Demenzkranken durchgeführt und kosten derzeit 100 Euro (Anmeldung: Tel. 42875-7211 oder per E-Mail: ralf.schattschneider@haw-hamburg.de).

Unsicherheiten abzubauen – das ist aus Sicht der Bündnispartner auch in Kliniken nötig. Einen verwirrten Demenzkranken kann man nicht wie andere Patienten ohne Begleitung über vier Gänge zum Röntgen schicken. Auch im Krankenzimmer kann eine intensivere Betreuung nötig sein. Deshalb seien ausführliche Empfehlungen erarbeitet worden, so die Gesundheitsbehörde. Ein Vorschlag ist etwa, dass Angehörige im Krankenzimmer übernachten dürfen. Die Behörde kann Kliniken nicht verpflichten, den Empfehlungen zu folgen. Aber man wolle die Umsetzung zumindest abfragen, hieß es.

Eine weitere Maßnahme, die im Zuge der Landesinitiative erprobt wird, ist das Quartiersprojekt Lohbrügge. Darüber berichtete auf der Fachtagung die HAW-Professorin Mary Schmoecker. Der Stadtteil wurde unter anderem ausgewählt, weil hier mehr Menschen über 65 und etwas mehr Demenzkranke leben als im Hamburger Durchschnitt. Ein Teil des Projekts ist das Konfetti-Café im Mehrgenerationenhaus Brügge. Dort können Demenzkranke und Gesunde zum Beispiel gemeinsam künstlerisch arbeiten und singen. Das Café ermögliche Menschen mit Demenz sozialen Austausch und kulturelle Teilhabe, sagte Schmoecker. „Das Interesse an dem Café nimmt ständig zu“, so die Professorin.

Wie geht es mit der Landesinitiative nun weiter? Eine Befragung der Partner ergab, dass es insbesondere bei der Entlastung der Angehörigen noch viel zu tun gibt. Eine Möglichkeit sei, die Tagespflege auszubauen, sagte Jens Stappenbeck, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Hamburg. Auch sei die Tagespflege nicht flexibel genug. Die vorgestellten Projekte seien auf einem guten Weg. „Nun geht es darum, das Ganze zu verstetigen“, sagte Stappenbeck.

„Es wird sich zeigen, ob es gelingt, dass es in Hamburg zu dem großen Thema Demenz auch große Antworten gibt“, sagte Tobias Götting, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft Hamburg. Das Pilotprojekt in Lohbrügge etwa sei eine sehr gute Sache. „Nun sollten wir solche Maßnahmen allerdings auch in anderen Stadtteilen umsetzen“, sagte Götting.

Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks schlug bei der Fachtagung vor, die Landesinitiative im Rahmen des „Paktes für Prävention“ fortzuführen, der von der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung koordiniert wird. Das hätte etwa den Vorteil, dass es eine zentrale Geschäftsstelle für die Demenz-Initiative gäbe. Ob der Vorschlag umgesetzt wird, ist allerdings offen, da sich bei der Fachtagung am Donnerstag nur ein Teil der Partner dafür aussprach.

Weitere Informationen zur Landesinitiative: www.hamburg.de/demenz