Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie berichtet über rasant gestiegene Temperaturen in der Nordsee und den Ausbau von Windkraftanlagen. Paraffine verschmutzen Nord- und Ostsee.

Hamburg. Rekorde kennzeichneten das Jahr 2014 – so lautet das Fazit des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH). Als erstes nannte BSH-Präsidentin Monika Breuch-Moritz auf der Bilanz-Pressekonferenz am Mittwoch den Höchstwert der Nordseetemperatur. Rekordverdächtig ist auch der Einbruch von salzreicherem Nordseewasser in die Ostsee. Um die Veränderungen in den Meeren aufzuspüren, seien umfangreiche Messnetze und entsprechende Datenauswertungen nötig, betonte Breuch-Moritz. Immer wieder müsse ihre Behörde um die Finanzierung dieser Infrastruktur kämpfen, dabei müsse sie „genauso unterhalten und weiterentwickelt werden wie Wasserstraßen, Brücken und Straßen“.

Gerade meldete der Deutsche Wetterdienst das wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. Passend dazu registrierte das BSH die höchste je gemessene Oberflächentemperatur der Nordsee. Mit 11,4 Grad lag sie 1,5 Grad über dem langjährigen Mittel. Die Deutsche Bucht war noch wärmer: Die dort gemessenen 12,1 Grad übertrafen den Durchschnittswert um 2,1 Grad. In dieser und weiteren Messreihen lasse sich seit mehr als 100 Jahren ein Trend zu höheren Wassertemperaturen ausmachen, sagte Breuch-Moritz. „Diese langfristigen Trends – nicht einzelne Jahre – sind ein klares Signal eines Klimawandels.“

Ebenfalls erstmals gemessen wurden fünf aufeinanderfolgende Sturmfluten. Sie kamen jedoch im neuen Jahr, am vergangenen Wochenende. Nur bei einer Flut lief das Wasser so hoch auf, dass sie als schwere Sturmflut einzuordnen war – ausgerechnet am Sonntagmorgen, sodass der Fischmarkt ins Wasser fiel. Ansonsten seien die Sturmfluten keine dramatischen Ereignisse gewesen, so Breuch-Moritz.

Größter Salzwassereinbruch in die Ostsee seit 2003

Im Dezember registrierten BSH-Kollegen vom Standort Warnemünde den ersten größeren Salzwassereinbruch in die Ostsee seit 2003 – und gleichzeitig die drittgrößte Frischwasserzufuhr, die je gemessen wurde. Vorausgegangen waren anhaltende Ostwinde, die Ostseewasser Richtung Nordsee drückten und damit das Gefälle zwischen den Meeren vergrößerten. Anschließend bliesen drei Sturmtiefs mit kräftigen Westwinden Nordseewasser durch den Kattegat in die Ostsee. Deren Ökosystem ist auf das salzhaltigere Wasser angewiesen, denn es versorgt den Grund der verschiedenen Ostseebecken mit Sauerstoff.

Frisches Nordseewasser reduziert das Risiko, dass sich im Sommer am Ostseeboden sauerstofffreie „Todeszonen“ bilden, in denen kein Fisch, Krebs, Muschel oder Fischeier überleben können. Wie nachhaltig der Effekt sein wird, mochte Dr. Bernd Brügge, Leiter der Abteilung Meereskunde am BSH, nicht vorhersagen: „Das hängt von vielen Faktoren ab, aber wir werden den Einfluss langfristig beobachten. Er könnte bis in die zentrale Ostsee (östlich Bornholm, die Red.) reichen.“

Im Sommer sorgte anhaltend schönes Wetter für einen Bauboom in der Nordsee: Ende 2014 waren 135 Windrotoren am Netz, weitere 438 waren aufgestellt, aber noch nicht in Betrieb (plus 23 in der Ostsee), für weitere 640 (Ostsee: 80) wurden Fundamente errichtet. „Die Überwachung der Baustellen ist inzwischen ein erheblicher Teil der Arbeit im BSH“, sagt Breuch-Moritz, dazu gehöre auch die Überwachung der Lärmemissionen durch Rammarbeiten. Beim Schallschutz für Schweinswale und andere Meeressäuger seien 2014 große Fortschritte erzielt worden, versicherte die studierte Meteorologin, die vor ihrem Präsidentenamt jahrelang im maritimen Umweltschutz tätig war.

Zum Umweltschutz in der Schifffahrt berichtete Breuch-Moritz von zwei Entwicklungen: Seit Jahresbeginn gilt in Nord- und Ostsee ein deutlich niedrigerer Grenzwert für den Schwefelgehalt des verwendeten Treibstoffs; er sank von einem Prozent auf 0,1 Prozent. Auf Neuwerk und am Wedeler Elbufer seien automatisch arbeitende Messinstrumente stationiert, die die chemische Zusammensetzung der Abgasfahnen der Schiffe ermitteln und damit die Einhaltung der neuen Regel überwachen können. Alternativ zum schwefelärmeren Treibstoff können die Schiffe auch Abgasreinigungsanlagen installieren lassen. Dies geschieht gerade beim Kreuzfahrtschiff „Queen Victoria“, das bei Blohm + Voss im Dock liegt.

Paraffin ist Hauptverschmutzer

Die zweite Entwicklung ist weniger erfreulich: „Paraffin löst Öl als Meeresverschmutzer ab“, sagte Breuch-Moritz. Im Untersuchungszeitraum 1983 bis 1989 machten Ölrückstände 88 Prozent der Verschmutzungen aus. Im Messprogramm der vergangenen zwei Jahre fanden die BSH-Wissenschaftler zu 65 Prozent Paraffin-Verschmutzungen, der Anteil von Ölrückständen sank auf 23 Prozent. Paraffinwachs ist ein Grundstoff der chemischen Industrie, der oft per Schiff transportiert wird.

„Die Verschmutzungen stammen aus Tankwaschungen“, sagte Jörg Kaufmann, Leiter der Schifffahrtsabteilung des BSH. „Paraffin ist nicht giftig, aber es verklumpt bei Kälte und ist dadurch eine Gefahr für Seevögel, denn es kann ihr Gefieder verkleben.“ Während das Ablassen von Ölrückständen nach Regeln der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO streng verboten ist, dürfen Ladungsreste von Paraffin während der Fahrt noch ins Meer geleitet werden.

Die Umweltüberwachung ist auf Messnetze und -fahrten angewiesen; die Suche nach Wracks und Gegenständen, die die Schifffahrt beeinträchtigen können, sowie die Vermessung des Meeresbodens funktionieren nur von Bord eines der fünf BSH-Schiffe. Das älteste ist die „Atair“, die 1987 in Dienst gestellt wurde. Sie soll nun durch ein Nachfolger ersetzt werden, der selbstverständlich nach den neuesten Umweltstandards gebaut werden soll. Breuch-Moritz: „In der Ausschreibung haben wir die interessierten Werften zum Angebot umweltfreundlicher Antriebs- und Versorgungskonzepte auf Basis von Flüssigerdgas und Landstrom aufgefordert.“