Spaß und Spiel, das gibt es nicht nur unter Menschen. Aber was bringt es einem Tier, andere zu foppen oder Zeit scheinbar sinnlos zu verplempern?

Berlin. Spaß zu haben scheint weit weniger lebensnotwendig zu sein als Nahrung oder Schlaf. Warum die Evolution dennoch etlichen Tieren die Fähigkeit verlieh, sich prächtig zu amüsieren, wird in einer Sonderausgabe von „Current Biology“ beschrieben. Wohl am besten bekannt sei die Spielfreude von Hunden, schreibt Chefredakteur Geoffrey North in der Ausgabe anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Fachzeitschrift. Doch auch weit einfacher gestrickte Lebewesen sind zu Amüsements fähig.

Spaß und Spiel ermöglichten es Tieren, Fähigkeiten in relativer Sicherheit zu erwerben und zu verbessern, schreibt Richard Byrne von der Universität St Andrews in einem Essay. Für junge Steinböcke sei es zwar riskant, aus Jux über steile Berghänge zu toben – für die spätere Flucht vor Räubern aber sei dies eine gute Schule. Und dieser Vorteil überwiege.

Auch für das soziale Miteinander sei das Spielen zum Spaß wichtig: Pavian-Jungs rauften gern mit ihresgleichen und trainierten so für den Kampf um sozialen Status in der Gruppe. Pavian-Mädchen hingegen spielten lieber mit dem Nachwuchs hochrangiger Weibchen, der zum idealen – weil ebenfalls hochrangigen – Verbündeten heranwachse.

Zumindest beim Menschen spiele ein weiterer Faktor eine Rolle: die Kreativität. Das Spielen aus Spaß erweitere das mentale Repertoire und ermögliche Konzepte und Verknüpfungen, die es unter realen Bedingungen nicht gebe.

Eine wichtige Voraussetzung dafür, etwas lustig zu finden, sei in vielen Fällen, sich in andere hineinversetzen zu können, erklärt Byrne. Dies gelte etwa beim Erzählen eines Witzes – aber auch bei Neckereien. Paviane etwa seien dabei beobachtet worden, wie sie Kühe ärgerten, indem sie an ihren Schwänzen zogen – wenn diese hinter einem Zaun standen und nicht angreifen konnten. „Necken macht uns Spaß, weil wir erfassen, wie sich das Opfer fühlt.“ Auch junge Elefanten foppten sehr gern andere Tiere wie Schakale, Gnus oder auch Reiher. Für diese Art Spaß eine evolutionäre Erklärung zu finden sei weit schwieriger, so Byrne. Die Untersuchungen dazu seien bei Weitem nicht abgeschlossen.

Als wahre Frohnaturen würden vom Menschen oft Delfine empfunden, in deren Gesicht ein ewiges – von den Tieren unbeeinflusstes – Lächeln stehe, schreibt Vincent Janik von der Universität St Andrews in seinem Beitrag. Auch die Schwimmsprints und Luftsprünge von Delfinen sähen nach viel Spaß aus – oft finde stattdessen aber ein ernster Kampf statt. Der Sprung beim Sprint diene dann dem schnellen Luftholen oder manchmal auch dazu, dem Gegner einen Schlag mit der Fluke zu verpassen.

Andere Verhaltensweisen der Meeressäuger seien wohl eher Spiel, das Surfen auf den Bugwellen vorbeifahrender Schiffe zum Beispiel. Auch dabei seien allerdings alternative Erklärungen denkbar – etwa die Selbstdarstellung als fitter Geschlechtspartner, erläutert Janik.

Ausgeprägt sei bei den Tieren das Spiel mit Objekten, neben Seegras und Sand gern auch mit Fischen oder Schildkröten. Die Vielfalt der Spielereien sei bei Delfinen immens, die dafür investierte Zeit aber gering, schreibt Janik weiter. Für Große Tümmler (Tursiops truncatus) der Bahamas etwa sei in Verhaltensstudien gezeigt worden, dass sie nur 0,6 Prozent ihrer Zeit dem Spiel mit Objekten widmeten, bei in Gefangenschaft gehaltenen Artgenossen seien es 1,6 Prozent.

Spielspaß sei lange nur intelligenten Säugetieren wie Affe, Hund, Elefant, Otter oder Bär zugestanden worden, zudem einigen Vögeln wie Papagei und Krähe, ergänzt Gordon Burghardt von der University of Tennessee in Knoxville. Meist werde der Begriff aus stark vermenschlichender Sicht interpretiert. Für Welpen und Kätzchen möge das funktionieren – für spielende Fische aber nicht.

Eine gängige Definition für „Spiel“ beinhalte fünf Kriterien: Mit der Handlung wird keine bestimmte Funktion voll erreicht, sie tritt spontan und wiederholt auf, unterscheidet sich von Verhalten mit ernsthaftem Ziel und wird nur in stressfreier Umgebung initiiert. Fische seien – wenn auch äußerst selten – zum Beispiel beim Überspringen von Hindernissen und dem Schlagen gegen einen Ball beobachtet worden.

Auch bei Fröschen sei ein als Spiel interpretierbares Verhalten beobachtet worden, schreibt Burghardt. Die sozial lebenden Goldbaumsteiger (Dendrobates auratus) lieferten sich gern – und offensichtlich zweckfrei – kurze Ringkämpfe. Andere Frösche seien dabei gesehen worden, wie sie auf den ausströmenden Luftblasen am Boden ihres Aquariums ritten. Dinge zum Spaß zu machen sei auch Reptilien nicht fremd: Komodowarane wirkten beim Spiel mit alten Schuhen oder Bällen wie Hunde. Afrikanische Weichschildkröten (Trionyx triunguis) schubsten Flaschen und anderes Treibgut über die Wasseroberfläche und nutzten Schläuche zum Tauziehen. Und gewaltige Salzwasserkrokodile habe man schon mit einem Basketball herumtollen sehen.

„Spiel wird oft bei den intelligentesten und anpassungsfähigsten Tieren gefunden, auf sie beschränkt ist es aber nicht“, lautet Burghardts Fazit.

Bei den Wirbellosen sei eine Art Spiel nur von Oktopussen bekannt, ergänzt Sarah Zylinski von der Universität Leeds in „Current Biology“. Bekomme ein Gemeiner Krake (Octopus vulgaris) ein neues Objekt vorgesetzt, gehe sein Verhalten von einem erkundenden „Was ist das?“ in ein spielerisches „Was kann ich alles damit machen?“ über.

Pazifische Riesenkraken (Enteroctopus dofleini) wiederum stoßen Objekte mit dem Wasserstrom ihres Siphons herum. Immer wieder seien satte Kraken zudem beim Spiel mit potenzieller Beute beobachtet worden – ähnlich dem einer Katze mit einer Maus. „Okay, aber haben sie Spaß dabei?“, fragt Zylinski. „Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.“ Schon beim Menschen sei das Spaßempfinden eine höchst subjektive Angelegenheit, auf das Gefühlsleben eines Oktopusses zu schließen sei geradezu unmöglich.

Dem Spiel des Homo sapiens widmet Patrick Bateson von der Universität Cambridge (Großbritannien) seinen Beitrag in der Sonderausgabe. „Viele Komponisten, Künstler und Wissenschaftler, berühmt für ihre Kreativität, waren ebenfalls bemerkenswert verspielt“, schreibt er. Wolfgang Amadeus Mozart zum Beispiel habe als geradezu notorisch verspielt gegolten – auch beim Komponieren. Gleiches gelte für Alexander Fleming, den Entdecker der antibakteriellen Wirkung des Penizillins. „Ich spiele mit Mikroben“, habe dieser gesagt und sich leicht damit getan, neugierig Regeln zu brechen. Auch der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman habe stets den Spaßfaktor seines Wirkens betont.

Ein typischer Test für Kreativität sei, Menschen danach zu fragen, wofür sich ein bestimmter Gegenstand – etwa eine Büroklammer – verwenden lasse. Vor allem verspielten Menschen fielen besonders viele Möglichkeiten ein. „Können Menschen verspielter und damit auch kreativer werden?“, fragt Bateson. „Verspieltheit erscheint in geschütztem Umfeld und lässt sich leicht von Stress zerstören.“ Ein erster Schritt sei es darum, sich Freiräume ohne vorgegebene Ziele zu schaffen. Derlei Einschränkungen ändern ohnehin nichts an dem Fakt: Der moderne Mensch ist die mit Abstand größte Spaßspezies des Planeten, einfach deshalb, weil er die meiste Zeit dafür hat. Statt mit der Suche nach Nahrung oder der Abwehr von Feinden könne er sich über Stunden täglich mit vergnüglichen Annehmlichkeiten beschäftigen, schreiben Nathan Emery von der Universität London und Nicola Clayton von der Universität Cambridge.

Spiele, Fernsehen, Malen, Sport, Lesen – solche Freude bereitende Aktivitäten seien das Resultat technologischen, landwirtschaftlichen, kommerziellen und kulturellen Fortschritts, der dem Menschen immens viel freie Zeit verschafft habe.

Noch als Erwachsener verspielt zu sein, erleichtere Anpassungen und mache sozialer, ergänzt Isabel Behncke von der Universität Oxford. „Lebenslanges Spiel ist eine Brücke zwischen Geselligkeit und Anpassungsfähigkeit.“ Spielspaß belohne die Interaktion mit der Welt, im Zuge der Hominiden-Evolution sei dies verstärkt worden und motiviere nun zu Erkundung und Suche nach Neuem. „Darum sind Menschen und andere hoch soziale Tiere mit großem Gehirn so darauf aus, Myriaden Wege zu finden, sich zu amüsieren.“

In „Current Biology“ werden einige Videobeispiele zu Spaß im Tierreich genannt. Hier finden Sie sie im Internet:

- Elefant badet: http://dpaq.de/N0COX

- Krähe rodelt: http://dpaq.de/RyGTi

- Delfin ärgert Möwe: http://dpaq.de/oI5Bt

- Affe neckt Katze: http://dpaq.de/KX4II