Die Bildnisse aus der Altsteinzeit sind streng geschützt. Eine aufwendig gefertigte Replik gewährt nun Einblicke. Die Ausstellungsmacher rechnen mit rund 350.000 Höhlenbesuchern pro Jahr.

Pont d'Arc. Luftlinie sind es vielleicht gerade einmal zwei Kilometer. Nimmt man die kurvigen kleinen Straßen durch die liebliche Ardèche, kommt man auf knapp neun Kilometer. Beides sind keine große Distanzen, doch auf dieser Strecke kann man eine immense Zeitreise absolvieren: Dann liegen mehr als 30.000 Jahre zwischen den beiden Orten.

Auf der einen Seite findet man das Original, die von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannte Grotte Chauvet in der südfranzösischen Region bei Montélimar. Sie erhielt ihre berühmten Tierzeichnungen in mehreren Phasen der jüngeren Altsteinzeit. Auf der anderen Seite entstand in den vergangenen drei Jahren eine aufwendige Kopie der Höhle. Im Frühjahr wird sie als Caverne du Pont d’Arc eröffnet. Dann liefert sie allen Interessierten einen detailgetreuen Eindruck des streng geschützten Originals.

Grotte Chauvet vor 20 Jahren entdeckt

Vor gut 20 Jahren, am 18. Dezember 1994, entdecken die drei Höhlenforscher Jean-Marie Chauvet, Éliette Brunel und Christian Hillaire die nach dem Initiator der Erkundung genannte Grotte Chauvet. Rasch wird die wissenschaftliche und historische Bedeutung der Malereien in der Höhle erkannt.

Der Urgeschichtler Jean Clottes, zunächst für die Forschungen in der Originalhöhle verantwortlich und später Chef des wissenschaftlichen Beraterteams für die Replik, beurteilt noch 1994 im Auftrag der Regierung die Neuentdeckung: „Ich war völlig überrascht, wie weiß, glänzend, schön und frisch alles wirkte. Ich dachte mir: Das sieht aus wie eine unberührte Höhle. Und dann ging ich von Wunder zu Wunder.“ Die für viele Forscher erstaunliche Unversehrtheit im Inneren der Grotte geht auf einen mindestens 20.000 Jahre währenden Felsverschluss des Höhleneingangs zurück.

Entgegen erster Annahmen und später korrigierter Messungen sind die Zeichnungen nicht die ersten bekannten Gemälde der Menschheit. Die deutlich simpleren Handabbildungen in der Höhle von El Castillo in Spanien sind mit 40.000 Jahren noch älter, ebenso alt wie Malereien, die jüngst in Indonesien entdeckt wurden.

Dennoch ist die 8500 Quadratmeter große Höhle Chauvet einmalig: Die Reliefs mit einer Gesamtlänge von 400 Metern zeigen im Gegensatz zu anderen bekannten Höhlen nicht nur gejagte Arten wie Pferde, Kühe oder Steinböcke. Unter den 425 Tierbildern der rund 1000 Zeichnungen sind auch die sonst nicht zu findenden Jäger und Feinde der Urzeitmenschen: Höhlenlöwen, Bären und Panther bis hin zu Rhinozerossen.

Bildnisse, die viele Menschen gerne live sehen würden. Doch das ist beim Original nicht möglich. „Solche Höhlen sind sehr fragil. Besucher atmen, transpirieren, produzieren Wärme. Die Wärme würde an den Wänden kondensieren und Kristalle im Ergebnis die Abbildungen komplett überziehen. Nur mit der Replik können wir diese überwältigenden Dokumente einer vorgeschichtlichen Zeit teilen. Das ist auch für Wissenschaftler oder Künstler interessant, für die solche Arbeiten sonst nicht zugänglich wären. So kann man die Bilder verstehen. Die Idee hinter der Rekonstruktion ist, eine außergewöhnliche Erfahrung zu teilen“, sagt der französische Geomorphologe Jean-Jacques Delannoy, der als Teil eines Teams von Wissenschaftlern die Rekonstruktion der berühmten Höhle Chauvet in Südfrankreich begleitet hat.

Ausgewählte Teile der Originalgrotte verdichtet die Replik auf 3000 Quadratmeter Grundfläche, mit Wänden und Decken sind mehr als 8000 Quadratmeter Höhle aus Harz und Naturmaterialien gestaltet. Auch Details wie Knochen der Höhlentiere finden sich. 35 Firmen bildeten für 55 Millionen Euro die Grotte nach und bebauten insgesamt ein 27 Hektar großes Gelände. Damit werden nach Angaben des Architekten Xavier Fabre auch Lehren aus den spanischen Höhlen gezogen, wo die hohe Anzahl der Besucher den Erhalt der Malereien gefährde. „Die Höhle Chauvet kann jetzt verschlossen, geschützt und konserviert werden“, sagt Fabre, „es wäre ein viel zu hohes Risiko, das Original für Besucher zu öffnen.“

Mit 6000 Fotos kombiniert

Für die Replik der Höhle entwarfen Experten im Original „eine Wolke von Fixpunkten“, die Formen des Gesteins nachzeichnet. Diese wurden dann mit 6000 Fotos kombiniert. So entstand im Rechner ein 3-D-Modell – Ausgangspunkt für die reale Rekonstruktion.

Der Kunstgrafiker und Prähistoriker Gilles Tosello hat die berühmten Fresken von Pferden und Löwen realisiert. Tosello spricht von einer „sehr, sehr weit entwickelten Kunst“ des Originals. „Die Symbole, die Tiere erzählen Geschichten. Das ist sehr komplex für die damalige Zeit.“ Nach ungezählten Aufenthalten in der Originalhöhle habe er die Arbeiten in seinem Atelier in Toulouse in drei bis vier Monaten umgesetzt. Beeindruckt zeigt sich Tosello etwa von den Löwen. „Das haben die Künstler alles ohne Vorlage gezeichnet – aus dem Kopf.“ In den Höhlen gab es Licht von vielleicht zwei Fackeln. Die Malereien dienten nicht als Galerie, sondern zeigten Teile des Alltags. „Das sind alles Geschichten über die Jagd, komplexe Symbole“, sagt Tosello.

Die Ausstellungsmacher rechnen mit rund 350.000 Besuchern pro Jahr. Von Kunstfertigkeit und Qualität der Replik zeigen sich Erschaffer und Kenner des Originals überzeugt.