Mit mathematischen Formeln lässt sich die Wahrscheinlichkeit von Stürmen, Starkregen und Überflutungen ausrechnen: Ergebnisse für Ingenieure, Versicherungen und Finanzwirtschaft besonders intererssant.

Hamburg. Monsterwellen, Taifune, Jahrhundertfluten – solche zerstörerischen Wetterextreme scheinen unberechenbar. Dennoch arbeiten Klimaforscher daran, sie in mathematische Formeln zu fassen und im besten Falle sogar vorherzusagen. Das ist eines meiner Forschungsthemen als angewandter Mathematiker und theoretischer Meteorologe am Hamburger Exzellenzcluster für Klimaforschung CliSAP.

Auf extreme Phänomene treffen drei Eigenschaften zu: Sie treten selten auf. Sie weichen besonders stark von den gewohnten Mittelwerten ab. Und sie wirken sich heftig auf Natur und Gesellschaft aus. Kurz gesagt sind Extreme untypisch und gerade deshalb schwer zu beobachten. Hier kommt die Statistik ins Spiel.

Um Extremwerte zu berechnen, gibt es zwei Ansätze. Betrachten wir etwa das Risiko einer Region, überflutet zu werden: Eine Möglichkeit ist, für jedes Jahrzehnt nur den höchsten Pegelstand herauszunehmen. Wir betrachten so stets nur einen Wert pro Zeiteinheit. Andere, ebenfalls hohe Wasserstände fallen durch das Raster. Bei der zweiten Methode werden alle Extremwerte berücksichtigt, die oberhalb eines bestimmten Grenzwertes liegen. Man erhält damit für den Zeitraum von zehn Jahren beliebig viele Flutereignisse, manchmal aber auch gar keines.

Die Ergebnisse beider Methoden lassen sich grafisch in Kurven darstellen, die zeigen, wie häufig bestimmte extreme Wasserstände aufgetreten sind. Interessanterweise passen alle so errechneten Wahrscheinlichkeiten zu einer von vier Standardkurven, die schon länger bekannt sind. Benannt sind diese Kurventypen nach ihren wissenschaftlichen Entdeckern Gumbel, Fréchet, Weibull und Pareto. Folglich sind auch Extreme bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Dies ermöglicht es uns, die Wahrscheinlichkeit künftiger Ereignisse zu errechnen.

Wie wahrscheinlich ist ein Börsencrash?

Das ist nicht nur für Klimaforscher interessant, sondern auch für Ingenieure, Versicherungen und die Finanzwirtschaft. Wie hoch muss der Staudamm werden, um in den nächsten hundert Jahren wohl nicht überschwemmt zu werden? Wie viel Geld muss vorsichtshalber für Schäden durch Großbrände eingeplant werden? Wie wahrscheinlich ist ein Börsencrash?

Die Aussagen aus den genannten Methoden haben jedoch einen Nachteil. Sie basieren auf der Annahme, dass das Klimasystem unveränderlich ist. Das Gegenteil ist der Fall. Unser System hängt von zahlreichen äußeren Faktoren ab und verändert sich deshalb ständig. Mit Kollegen in Frankreich, Portugal und Großbritannien arbeite ich deshalb an der Frage, wie wir den Klimawandel in unsere Formeln zur Extremwerttheorie einfließen lassen können.

Fest steht: So chaotisch extremes Wetter auch ist: Häufigkeit, Stärke und räumliche Verteilung gehorchen dennoch universellen Gesetzen. Diese Gesetze betrachten Extremforscher wie durch eine Lupe, denn in außergewöhnlichen Wetterlagen sind die Ereignisse überhöht und gut erkennbar. Deshalb sind Extreme für uns Wissenschaftler generell nützlich. Sie zeigen uns, wie sich ein System grundsätzlich verhält – in unserem Fall das Klima.

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