Wissenschaftliche Erkenntnisse rund um den Heiligen Abend. Wer gelernt hat, geduldig auf die Bescherung zu warten, hat im Leben mehr Erfolg.

Viele Kinder zählen sehnsüchtig die letzten Tage: Bald ist Weihnachten. Warum hat das Warten viel Gutes und warum steigen Aktienkurse vor Weihnachten? Wissenschaftliches zum Fest:

„Last Christmas“ – oder warum Sie lieber selbst singen sollten

Schon im November geht nichts mehr ohne „Last Christmas“ oder „Do They Know It’s Christmas“. Die Dauerbeschallung mit Weihnachtsliedern empfinden viele Menschen als nervig. Singen wir dagegen lauthals mit, kann das gut für uns sein. „Wir versetzen uns damit schon rein körperlich in einen Zustand, der viel stärker mit positiven als mit negativen Gefühlen und Erinnerungen verbunden ist“, erklärt der Musikwissenschaftler Gunter Kreutz von der Universität Oldenburg. „Mit verschlossenem Gesicht und in sich gekehrter Haltung kann man schon gar nicht singen.“

Eine offene Mimik und gerade Haltung dagegen verstehe das Gehirn als positives Gefühl. „Dazu kommt natürlich die Gemeinschaft mit anderen Menschen“, sagt Kreutz. „Dieses Zusammenspiel von körperlicher Gestik, Haltung, Atmung und Synchronizität mit den Mitmenschen tritt bei Glücksgefühlen häufig in Erscheinung.“ Nicht umsonst heiße es, dass Singen „von Herzen“ komme. „Das ist nicht nur eine Metapher. Man darf das durchaus fast wörtlich nehmen.“

Ran an die Puppen, Jungs

Jetzt in der Weihnachtszeit fällt es besonders auf: In den Spielzeugabteilungen sind die Rollen klar verteilt. Zarte Elfen mit pinken Haaren auf der einen, grüne Werkbänke mit Sägen aus Plastik auf der anderen Seite.

Und tatsächlich: Anders als es die gesellschaftliche Entwicklung vermuten lasse, setzten Hersteller heutzutage stärker als früher auf geschlechtstypische Spielsachen, erklärt die Psychologin Bettina Hannover. Sie hält das für problematisch: „Je mehr Kinder in ihrer Umwelt mit geschlechtstypisierten Spiel- oder Lernsachen konfrontiert werden, desto eher schlussfolgern sie, dass Mädchen und Jungen verschieden sind, zum Beispiel mit unterschiedlichen Dingen spielen oder unterschiedliche Dinge lernen wollen.“

In Experimenten fragten Entwicklungspsychologen Kinder zum Beispiel, ob ein bestimmtes Spielzeug für Jungen oder für Mädchen sei oder ob beide damit spielen könnten. Das Ergebnis: „Schon im Alter von zwei bis drei Jahren nehmen Kinder Typisierungen vor und sagen zum Beispiel: ‚Puppen sind für Mädchen, Autos sind für Jungs‘“, berichtet Hannover. In dem Alter hätten Kinder aber überhaupt noch kein stabiles Konzept darüber, ob sie selbst ein Junge oder ein Mädchen sind. „Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass geschlechtstypisiertes Spielzeug ein Mittel ist, über das Kinder die soziale Geschlechtsrolle erlernen.“

Kinder hätten große Angst davor, nicht den Normen für ihre Geschlechtsrolle zu entsprechen. „Weil sie fürchten, von Gleichaltrigen ausgelacht und ausgestoßen zu werden.“ Das ändere sich erst am Ende der Grundschule. „Sie erkennen dann, dass auch Mädchen gut in Mathe sind oder Jungs gerne lesen.“ Als Eltern oder Erziehende könne man diese Prozesse beschleunigen. „Zum Beispiel indem man sagt: ‚Wenn du die pinkfarbene Puppe unbedingt haben willst, sollst du sie bekommen, aber findest Du nicht, dass es blöd ist, dass Mädchen immer alles in pink haben müssen?‘.“

Dreimal werden wir noch wach – warum warten gut ist

Gefühlt ist Weihnachten für Kinder das wichtigste Ereignis im Jahr. „Vorfreude ist etwas ganz Tolles, etwas Wichtiges, aus dem Kinder auch viel lernen können“, sagt die Psychologin Bettina Hannover. Belohnungsaufschub nennen das Experten. Der Wissenschaftler Walter Mischel hat das in einem inzwischen vielfach nachgeahmten Experiment nachgewiesen.

Etwa vierjährige Kinder mussten – alleingelassen in einem Raum – einem Marshmallow einige Minuten widerstehen, um dafür danach zwei zu bekommen. Zehn Jahre später ergab eine Befragung der inzwischen herangewachsenen Kinder: Wer sich damals gut im Griff hatte und nicht sofort in die Süßigkeit biss, brachte bessere Leistungen, konnte sich besser konzentrieren und arbeitete effektiver. „Kinder, die gelernt haben, Belohnungen aufzuschieben, sind auf vielfältige Weise für das Leben gewappnet“, sagt Hannover. „Und Weihnachten ist etwas, was Eltern wunderbar inszenieren können, um Kindern diesen Belohnungsaufschub beizubringen.“ Ein Adventskalender sei dabei zum Beispiel eine gute Hilfe: „Jeden Tag kommt das Ereignis näher und ich warte darauf – und werde am Ende belohnt.“

Woher der Stress kommt

Die meisten Menschen haben ein Bedürfnis nach einer harmonischen Weihnacht. Peter Walschburger, emeritierter Professor für Biopsychologie an der Freien Universität Berlin, erklärt das so: „Das Fest hat sich als ein besonders ausgeprägtes gemeinschaftsstiftendes Ritual etabliert. Es verändert unseren profanen Alltag hin zu einer sakralen Grunderfahrung.“

Der Ritualcharakter des Festes verleite viele Menschen dazu, die Feiertage bis ins kleinste Detail fast zwanghaft durchzuplanen. „Andere wollen sich solchen Zwängen nicht fügen, denn jeder von uns geht mit etwas anderen, häufig überhöhten Erwartungen dem Fest entgegen.“ So komme es leicht zu sozialen Konflikten und Stress während des Festes.

„Immer mehr Menschen erleben Weihnachten leider auch wie eine Störung in ihrem mehr und mehr durchrationalisierten Alltag“, meint der Psychologe. „Sie sehen nicht, wie sie die Zeit aufbringen können, um den hohen Erwartungen – seien es die eigenen oder die der anderen – zu genügen.“ Allerdings gebe es eine Reihe von Möglichkeiten, das Fest zu entkrampfen. „Vor allem sollte man die eigenen Erwartungen auf ein realistisches Maß reduzieren und sich einfach freuen auf die Gelegenheit, die Freunde oder die Familie wiederzusehen.“

Warum manche Ökonomen das Fest nicht mögen

Weihnachten ist gut fürs Geschäft – so der landläufige Eindruck. Und tatsächlich: Aus makroökonomischer Sicht stellten Weihnachtsgeschenke einen nicht zu vernachlässigenden Anteil der jährlichen wirtschaftlichen Aktivität dar, schreiben die beiden Ökonomen Thomas Bauer und Christoph Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie. Nach Angaben des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) ist das Weihnachtsgeschäft für den Einzelhandel die wichtigste Zeit des Jahres. Insgesamt erwartet der HDE für 2014 einen Umsatz von 85 Milliarden Euro.

Bei Aktien lässt sich ein Vorweihnachtseffekt beobachten, wie die Reutlinger Ökonomieprofessorin Anna Goeddeke erklärt. Die Kurse steigen. Nur: Diese Auswirkung dürfte es gar nicht geben, folgt man der These des Nobelpreisträgers Eugene Fama. Denn genau dieser Effekt müsste Anleger eigentlich dazu veranlassen, Aktien zu kaufen und in den letzten Tagen vor Weihnachten bei hohen Kursen wieder zu verkaufen.

In der Praxis trifft das aber nicht zu. „Die Kurssteigerung gibt es, das kann man empirisch zeigen“, sagt Goeddeke. „Gerade vor Weihnachten verhalten sich Menschen vielleicht nicht immer sehr rational und kaufen Aktien, weil sie positiv gestimmt sind.“ Weshalb sie tatsächlich investieren, lasse sich nicht zweifelsfrei klären. „Es gibt aber Studien, die sagen: Wenn Menschen glücklicher sind, kaufen sie auch mehr.“ Möglicherweise könnte Fama aber irgendwann recht behalten: „Langfristig zeigt sich, dass der Effekt schwächer wird“, sagt Goeddeke.

Der Wert von Geschenken

Es gibt Ökonomen, die das Fest am liebsten abschaffen würden: „Warum Sie diesmal wirklich keine Weihnachtsgeschenke kaufen sollten“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Joel Waldfogel in einem gleichnamigen Buch. Irrer Verschwendung zum Fest und gigantischem volkswirtschaftlichen Verlust müsse endlich Einhalt geboten werden, fordert er. Seine Argumentation: Mit manchen Geschenken kann man einfach nichts anfangen. Sie sind aber mit (hohen) Produktionskosten hergestellt worden, Menschen haben dafür gearbeitet. Dieser Wert löse sich in Luft auf.

„Angenommen, Ihre Oma schenkt Ihnen zu Weihnachten einen scheußlichen Pullover für 50 Euro, den Sie niemals tragen würden. Dann ist Ihre Wertschätzung für diesen Pullover gleich Null“, erklärt Ökonomieprofessorin Anna Goeddeke. Wirtschaftswissenschaftler bezeichnen das als Verlust von Wohlfahrt. „Denn Sie oder Ihre Oma hätten ja diese 50 Euro nehmen und davon etwas Sinnvolles kaufen können.“ So stünde am Ende ein volkswirtschaftlicher Schaden. „Wenn sie den Pullover nicht tragen oder wegwerfen, ist das eine Verschwendung von Ressourcen.“

Alle Jahre wieder: Die Suche nach dem richtigen Geschenk

All die Mühe, all die Hektik, um noch schnell alle Geschenke zu bekommen. Schätzen die Beschenkten den Wert meiner Gabe überhaupt richtig ein? Die beiden VWL-Professoren Thomas Bauer und Christoph Schmidt befragten 2008 mehr als 500 Studenten der Ruhr-Universität Bochum. Das Ergebnis klingt erst einmal ernüchternd: Hätten sie es selbst kaufen müssen, hätten die meisten Befragten für das Geschenk weniger Geld ausgegeben – im Schnitt elf Prozent. Weihnachtsgeschenke waren den meisten also weniger wert, als sie tatsächlich gekostet haben. Aber: Wenn ihnen jemand das Geschenk abkaufen sollte, verlangten die Studienteilnehmer einen deutlich höheren Preis.

Ein Geben und Nehmen also? Der Soziologe Holger Schwaiger hält wenig von dieser Herangehensweise: „Ökonomen machen eine Rechnung auf, die nach dem Prinzip verläuft: Ich gebe etwas und in der Schenktradition bekomme ich etwas zurück“, sagt er. „Das rechne ich gegeneinander auf und so setzt sich eine Art von Spirale in Gang.“ Geschenke seien in dieser Theorie eine Art Währung. Aus sozialer Sicht spiele ihr materieller Wert aber keine Rolle. „Es geht um Emotionen, Schenken ist eine Form von sozialer Kommunikation.“ Damit die gelinge, müsse man sich Gedanken machen. Deshalb hält Schwaiger auch gar nichts davon, Geld unter den Tannenbaum zu legen. „Wenn ich jemandem 50 Euro schenke, wird meine Beziehung zu diesem Menschen auf den Gegenwert von 50 Euro festgelegt“, erklärt er. „Was heißt es aber, wenn unsere Beziehung 50 Euro wert ist? Ist das viel oder wenig?“

Schenken Menschen Geld, würden sie häufig auch nicht wollen, dass der Wert ihrer Gabe sofort erkennbar sei, erklärt der Soziologe. Dumm nur, dass der Wert auf dem Geldschein aufgedruckt ist. „Deshalb verpacken sie die Geldscheine kunstvoll, falten aus ihnen Blüten oder stecken sie in eine Karte“, erläutert Schwaiger.