Erstmals seit 2008 ist ein hoch ansteckendes Virus in Deutschland aufgetaucht. 31.000 Puten müssen getötet werden

Riems/Heinrichswalde. Mit dem Geflügelpest-Ausbruch in einem vorpommerschen Mastputenbetrieb ist erstmals seit 2008 wieder ein hoch ansteckender H5-Erreger in Deutschland aufgetreten. Wie gefährlich ist das Virus? Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit (FLI) auf der Insel Riems beantworteten am Donnerstag die wichtigsten Fragen.

Handelt es sich beim Ausbruch in dem Betrieb in Vorpommern um Geflügelpest oder Vogelgrippe?

„Die Geflügelpest ist die Vogelgrippe“, sagte Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts. Die Vogelgrippe habe sich als populärer Begriff im Zuge des H5N1-Seuche eingebürgert. Die Wissenschaftler selbst sprechen von der Geflügelpest. Sie wird durch die Influenza-Erreger H5 oder H7 ausgelöst. Den letzten Ausbruch mit einem hoch pathogenen Erreger gab es laut FLI 2008 mit H5N1 in Markersdorf im sächsischen Landkreis Görlitz.

Wie gefährlich ist der neue Erreger H5N8 für Geflügel?

Der Geflügelpest-Erreger ist für Geflügel (Hühner, Puten oder Gänse) hoch ansteckend. „Wie jedes andere hoch pathogene Virus hat es eine Veränderung im Genom, sodass es sich schnell im gesamten Tier ausbreitet und dann zum Tod führt“, sagte Mettenleiter. In dem betroffenen Betrieb waren laut FLI seit Anfang des Monats erhöhte Todesraten aufgetreten, die sich in den letzten Tagen gesteigert hatten. Das hat die Veterinärmediziner alarmiert.

Kann der Erreger auch auf Menschen übertragen werden?

„Wir müssen davon ausgehen, dass jeder hoch pathogene Erreger auch eine Gefährdung für den Menschen darstellen kann“, sagte Mettenleiter. Für den H5N8-Erreger sei eine Übertragung auf den Menschen zwar noch nicht beobachtet worden, auch nicht in Südkorea, wo bislang mehrere Hunderttausend Tiere getötet werden mussten. Da man eine Übertragung auf den Menschen aber nicht ausschließen könne, mussten grundsätzlich schnelle Schutzvorkehrungen getroffen werden, sagte Mettenleiter. Die Wissenschaftler sehen aber keinen Grund zur Besorgnis. Man sollte den Ausbruch mit einer gewissen Gelassenheit betrachten.

Wo kommt der Erreger her?

Im Januar 2014 ist der Erreger vom Subtyp H5N8 erstmals in Südkorea aufgetreten. Er kommt dort auch in der Wildvogelpopulation vor. Nachweise des Erregers gibt es auch in Japan und im Grenzgebiet von China zu Südkorea.

Der Erreger ist nun erstmals in Europa aufgetaucht. Gibt es Hinweise, wie er in den Bestand in Vorpommern eingetragen wurde?

Das ist bislang unklar. Potenziell kann er über kontaminierte Waren eingetragen werden, Lebensmittel, Personen oder auch Wildvögel, sagen die Forscher des FLI. Vier Epidemiologen des Bundesforschungsinstituts sind vor Ort, um Waren- oder Tierverkehre und einen möglichen Eintrag durch Wildvögel zu untersuchen. Das wird dauern, so die FLI-Forscher. „Alle Szenarien müssen gleichberechtigt betrachtet und bewertet werden“, sagte Mettenleiter.

Welche Auswirkungen hat der Ausbruch auf die Nachbarbetriebe? Wie schnell kann sich das Virus ausbreiten?

Wichtig ist zunächst, dass schnell Schutzmaßnahmen eingeleitet wurden. Bislang gehen die Forscher des FLI von einem lokalen Ausbruch aus. Sperr- und Beobachtungsgebiete wurden eingerichtet. Um mögliche Verschleppungen auszuschließen, müssen neben dem betroffenen Putenbestand eventuell auch andere im Sperrgebiet getötet werden. Entschieden ist das aber noch nicht.

Niedersachsens Geflügelhalter sind bereits vorgewarnt. „Es ist eine hohe Aufmerksamkeit vonnöten“, sagte am Donnerstag ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. In Niedersachsen gibt es 100 Millionen Stück Geflügel, das Land ist Geflügelland Nummer eins.

Zwar gebe es nach aktuellem Stand keinerlei Verbindungen des betroffenen Hofes in Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen. Das Ministerium habe aber dennoch Verbände und Behörden informiert. Die Tierhalter müssten Vorsichtsmaßnahmen beachten und bei Anzeichen einer Erkrankung sofort den Tierarzt verständigen. Wildvögel dürfen keinen Zugang zu Futter- und Wasserstellen haben.